Tunnelblick - Mit dem Rennrad von Oberammergau über die Alpen bis an die Adria auf der 2008er Transalp-Route

6.-12.9.2009, 875km, davon 16500Hm in 6 Tagen

Erlebt und aufgeschrieben von Zwinki (zwinki2 @ gmx . de)

Peter wird wieder unruhig

Nachdem unsere href: http://www.rotweinundradieschen.de/pyren06/pyren06.html glorreiche Pyrenäentour 2006 nun schon drei Jahre zurücklag und viel passiert war, meldete sich mein alter Freund Peter aus der Braunschweiger Ecke wieder mit Urlaubsplänen. Wir könnten doch mal auf einer Transalp-Route fahren, am besten die von 2008: In 7 Tagen von Oberammergau bis an die Adria. Transalp - das ist das schwerste Jedermannrennen in Europa, wird erzählt. Aber wir wollten kein Rennen fahren, sondern sehen, was diese Strecke dem Fahrer an landschaftlichen Erlebnissen bietet (was Wettkämpfer naturgemäß nur beschränkt mitbekommen) - und natürlich diese sehr schwere Strecke überhaupt erst einmal schaffen. Ich war diesmal für das Ermitteln der Route verantwortlich und erschrak bei Teilnehmerberichten: Am ersten Tag 2400 Höhenmeter (ansteigende natürlich) zum "Einrollen", dann fünf Tage hintereinander über 3000 Hm und zum Schluss noch eine Flachetappe von 150km.

3000 Hm, das ist die magische Schmerzgrenze auf dem Rennrad, muss gefühlt wie zwei Marathons hintereinander sein. Allerdings kann ich da nicht richtig mitreden, denn ich renne keine Marathons und beschränke mich auf Rad fahren, Klettern und Wandern.

Und fünf Tage hintereinander mehr als 3000 Hm - geht das überhaupt für uns, und falls ja, was wird danach sein? Leben wir dann noch?

Diesmal sollten Peters Frau Marianne und meine gute Hälfte Gudrun im Auto das Begleitteam bilden und nebenbei Sightseeing betreiben, soweit es möglich ist.

Viel kann schief gehen: Wenn auch nur einer von uns vieren ausfällt, stirbt das Unternehmen, ebenso bei zu schlechtem Wetter (Schnee ist Anfang September durchaus möglich), schwerer Fahrrad- oder Autopanne ... Doch wer zweifelt, hat schon verloren, und um es vorweg zu nehmen: Es lief alles bestens, besser ging es kaum noch.

Peter und Marianne kamen am Freitag, den 4.9. bei mir in Dresden an. Zu viert besichtigten und bestiegen wir die Frauenkirche und aßen anschließend italienisch. Kirchen und Italiener, diese beiden Themen sollten uns in nächster Zeit weiter beschäftigen.

Anfahrt nach Oberammergau (5.9.09)

Der Hahnenschrei meines Handyweckers riss uns noch in der Dunkelheit aus dem Schlaf. Der regnerische Morgen sah uns auf der Autobahn Richtung Bayern, das sich durch immer besseres Wetter ankündigte, je näher wir dem Tagesziel Oberammergau kamen. 600km Fahrt in 7 Stunden mit den Rädern auf dem Dach, es ist immer wieder wenig erholsam. Dafür war das vorbestellte Quartier für Gudrun und mich sehr gut. Peter und Marianne sollten bei "der Nachbarin" schlafen, die allerdings viele Häuser weiter wohnte, männlich war und anscheinend seit langem kein Gastgeber mehr war, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Jedenfalls wagten die beiden nur mit Gummihandschuhen, die Dusche zu besichtigen, gingen bei uns auf die Toilette, trauten sich nicht, sich auf den Sessel zu setzen ... aber die Bettwäsche soll doch benutzbar gewesen sein. Herrje, was will man denn mehr. Sind doch zum Schlafen hergekommen.

Nein, Marianne und Peter sind keine verwöhnten Wessis, sie waren oft genug in Ländern mit niedrigen Standards: Peter z.B. in Albanien, Rumänien, Russland (in der "Prärie") ... aber Bayern kann eben etwas Anderes sein.

Das zeigte sich noch in anderer Weise beim Stadtrundgang. Bekannt ist der Ort für seine "Lüftlmalerei" an den Häusern:

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Die war beeindruckend. Nicht minder beeindruckend jedoch die ... wie soll man das nennen: Souvenirshops? In diesen Läden ist mindestens Weihnachten und Ostern und Kirchweihe gleichzeitig. Ein Bekannter, der in Garmisch-Partenkirchen arbeitet, meinte sarkastisch: "Puppenstube Oberbayerns". Hier ein paar Kostproben (bitte beim ersten Bild den Preis beachten):

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Gegenüber dem Friedhof fiel mir ein Wandspruch ins Auge:

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Oh, oh - ob sich das auf uns bezieht? Wie würde es uns morgen ergehen?

1. Etappe, Oberammergau-Sölden (6.9.09)

148.4 km, 2400 Hm, 22.3 km/h, 6h 37m netto / 8h 20m brutto, 7-23 Grad

Pässe: (Ammersattel), Hahntennjoch (950Hm)

Genug der ewigen Miesmacherei. Jetzt wird gefahren - mit Rennrad bzw. Auto, je nach Gusto. Wie üblich ging es 8:00 los. Das offizielle Startfoto:

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Man beachte den von Peter (rechts) betont zur Schau getragenen Optimismus. Wir rollten gemütlich in der Morgenkühle zum Ammersattel. Unsere Frauen besichtigten derweil das Schloss Linderhof:

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Peter und ich fanden unterwegs das richtige Motto für unsere Tour:

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Dies war aber offenbar mehr für die Organspender - sorry, die Motorradfahrer gedacht, über die noch genügend oft zu klagen sein wird. Auf den harmlosen Ammersattel folgte eine kühle, großartige Abfahrt am Plansee vorbei ...

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... bis hinab nach Reutte und dann verkehrsreich das Lechtal entlang. Wir waren fast zu schnell, ich besinne mich an über 27 Schnitt bis zum Anfang des Hahntennjochs. Auf www.quaeldich.de hatte ich mich vorher über möglichst viele Pässe schlau gemacht, doch in der Praxis stimmen Theorie und Praxis nur theoretisch überein. Am Start, an der langen, geraden Rampe, hatte man noch einen schönen Blick über das Tal zurück:

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Peter zog weg, ich machte inzwischen reihenweise Fotos:

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Was uns ganz sauer aufstieß, waren die Motorradfahrer. Solche Massen hatte ich früher nie erlebt, inzwischen waren viele mit ihrer aggressiven und riskanten Fahrweise zur Pest geworden. Ein Österreicher erzählte mir unterwegs, dass es mindestens jede Woche (oder täglich?) einen Unfall gibt, oft tödliche. Diese Hirnis sind so schräg mit Karacho in nicht einsehbare Kurven gerast, dass der Kopf am Grill des Gegenverkehrs hängen blieb. Leider haben Radfahrer keinen Grill vorn dran, wir mussten mit allem rechnen.

Wie angekündigt ging es nach Boden (wo es ein Schild "Erholung in Boden" geben soll, hihi) richtig los. Steil war es, dauernd 13%, enge Serpentinen, giftig wie in den Pyrenäen - nur eben zusätzlich mit aufjaulenden, rasenden Motorradmonstern. Etwa 950Hm in 1.5 Stunden, die mir schwer fielen wie immer der erste Pass, diesmal aber besonders. Dabei war es landschaftlich eigentlich ein tolles Erlebnis. Allein schon die schlängelnden Serpentinen mit den Lechtaler Bergen im Hintergrund waren eindrucksvoll:

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Oben warteten Gudrun und Marianne auf uns, kleine Pause. Wie sich am Abend herausstellte, war Peter nur deswegen schneller, weil er mit angezogener Bremse fuhr (das ist sogar schon Lance Armstrong passiert, der dann aber "Sabotage!" schrie). Über Peters Technikprobleme wird noch zu berichten sein.

Auf der Abfahrt traf ich den Österreicher wieder (wir pflegten offenbar die gleichen Fotomotive auszuwählen). Peter beschäftigte sich unterdessen mit seinem Vorderlicht, das sich wegen der Erschütterungen (etwas rubblige Straße) in seine Einzelteile zerlegen wollte. Er sammelte alles wieder ein und baute es zusammen. Nein, ohne Licht wäre der Urlaub nicht gegangen. Bisher waren es nur wenige Tunnel, aber ... siehe unten.

Vom Talort Imst aus nach dem bekannten Sölden zu fahren ist nicht ganz so einfach. Man ist in Österreich. Mir wurde erst jetzt klar, dass wir schon seit 1991 ständig mit Orientierungsproblemen in diesem Land zu kämpfen hatten. So ist Sölden nämlich nicht ausgeschildert, sondern nur "Ötztal" - man lebt in Tälern, nicht in Orten! Und Entfernungsangaben scheint es prinzipiell nicht zu geben. Mit einiger Fragerei, Fahren auf Standspuren von Quasi-Autobahnen und grässlichem Verkehr kamen wir letztendlich ins richtige Tal. Nix wie weg hier.

Nach reichlich 100km Fahrt wurde es Zeit für eine Esspause. Ich hatte die ersten Tage sehr wenig Hunger, überlebte generell mit 1-2 Powerbars pro Fahrt. Peter war anspruchsvoller und wollte z.B. Cola, kein Wasser mit irgendwelchem Pulver drin. Aus dem Hahn am Rastplatz kam aber nur Wasser. Deshalb fuhr er ins Dorf neben der Straße hinein und verlor prompt seinen Tacho (wenn er denn nicht gestohlen wurde, doch die Sigma-Halterung soll sowieso wacklig gewesen sein). Wir fanden ihn nicht wieder. Also wieder wie in den Pyrenäen: Peter blind fahrend, ich mit den Zahlen in der Hinterhand :-) Einen neuen hätte er gekauft, doch ohne Halterung gab es keinen. Und sein guter (von Polar) war schon seit drei Wochen zur Reparatur. Was nützt ein teurer Tacho, wenn man ihn nicht hat.

Der Verkehr war immer noch wenig feierlich, selbstredend jaulten regelmäßig Motorräder herum. Wenn sich das so weiterentwickelt, wird es bald Autos mit Motorradfängern geben, ähnlich den Känguruhabweisern in Australien.

Uns passierte aber nichts, denn Marianne hatte für uns zwei Kerzen in einer Kirche spendiert. Das machte sie jeden Tag. Nur auf der 6. Etappe tat sie es etwas später - und prompt wurde das Wetter instabil.

Allmählich kamen größere Berge mit erstem Schnee ins Blickfeld, der Fluss war unverkennbar schon ein Gletscherbach:

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Anstiege mit Serpentinen und eigentlich lässigen 7% taten mittlerweile ganz schön weh, es blies auch Gegenwind.

Unser vorbestelltes Quartier war schwer zu finden, aber darin haben wir Übung. Das Sightseeing an diesem Abend beschränkte sich auf den abendlichen Spaziergang zur Futterquelle:

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Das Essen war sehr gut, ebenso unser Hotel "Gondelblick". Es war ja keine Saison mehr, alles ruhig. Die Bar mit den Showgirls an der Hauptstraße - eine unverzichtbare alpine Kultureinrichtung - hatte bestimmt auch schon/noch zu.

Es war unsere höchste Übernachtung auf der Tour (knapp 1400m), abends wurde es rasch kühl.

2. Etappe, Sölden-Brixen (7.9.09)

123.6 km, 3050 Hm, 17.8 km/h, 6h 54m netto / 9h 15m brutto, 3-25 Grad

Pässe: Timmelsjoch (1300Hm), Jaufenpass (1400Hm)

Vor dieser Etappe hatte ich eigentlich den meisten Bammel. Das Timmelsjoch war mit 2509m Höhe unser "Dach der Tour", dort hätte es Schnee geben können. Es gab aber keinen. Und zwei Monsterpässe hintereinander ist etwas anderes als der Dolomitenmarathon mit 7 kleineren Pässen, auch wenn er 4500Hm ansteigt ... Ich packte lange Unterhose und Handschuhe und alles Warme ein, was ich hatte. Peter fuhr wie üblich kurz, jedenfalls blieben seine schmerzenden Knie immer nackt. Aber seine Handschuhe waren wärmer als meine.

Die Fahrt war schön und nicht zu steil, ich ging es sehr verhalten an. In Untergurgl waren die Wiesen bereift, mein Tacho zeigte 3 Grad an, die Hände wurden selbst in den Handschuhen bedenklich kalt. Die vergletscherten Ötztaler Alpen glänzten in der Morgensonne, oder sagen wir ... was von den Gletschern übrig blieb:

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Dann ging es in die bekannte, völlig öde Senke:

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Der Gegenanstieg war aber auch nur 10% steil (ich hatte eine Woche zuvor auch für den dicken Lenker meines neuen Patria-Stahlrahmenrads eine Libelle ergattert und konnte daher genau messen - die Angaben auf dem Tacho sind meistens Hausnummern). Von oben sah das alles für Gudrun weitaus deprimierender aus (der kleine Punkt da unten bin ich):

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Als Rennfahrer entwickelt man bekanntlich in den Alpen eine Art Maultiermentalität: Immer einfach weitertreten, versuchen zu genießen, nicht so viel denken. Dabei kommt man dann immer höher.

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Nach ca. 2.5 Stunden war ich oben, vermutlich lange nach Peter.

Oben Begrüßung durch unsere Frauen, Pause, Fotos. Selbst in dieser Höhe hatte die Gleichberechtigung schon Einzug gehalten, wie ein Schild auf der höchsten Stelle zeigte:

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Ein futuristisches Passmuseum ist dort oben im Entstehen:

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Der Tunnel war sehr unangenehm, weil er stockdunkel war, aber das strahlende Licht von der anderen Seite her blendete. Man sah praktisch nicht, wo man fuhr, und der Untergrund war uneben, wirklich sehr uneben. Rote Reflektoren rechterhand waren die einzige Orientierung, um Spur zu halten. Ich hatte zusätzlich zu den Lichtern noch reflektierende Bänder an den Knöcheln befestigt: links ein rotes, rechts ein grünes. Da diese beim Treten wackeln, bemerken mich Autofahrer sehr schnell, wie mir unsere Frauen bescheinigten, die dort hinter uns fuhren. Zur Nachahmung empfohlen! Dringend!

Die 1800Hm hohe Abfahrt an der Südseite ist berühmt und macht Spaß, wenn man sie nicht hoch muss wie die armen Jungs beim Ötztaler. Hier nur zwei Bilder:

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Es war wirklich steil. Ausnahmsweise ein paar vernünftige Motorradfahrer. Die vernünftigen schimpften übrigens auf die Todeskandidaten genau so wie wir. Klar, normalerweise habe ich mit den Jungs keine Probleme - aber die sind neuerdings offensichtlich eine andere Gilde.

In St. Leonhard fand sich rasch der Einstieg zum Jaufenpass (wir waren nun in Italien mit besserer Beschilderung ...), der gleichmäßig steil, lang und sehr anstrengend war. Unten noch schön grün ...

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... zog es sich und zog und zog ... dort müssen wir noch hoch (ganz oben sieht man die letzte ewig lange Rampe zum Pass):

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So ist das eben mit dem Pässefahren. - Bei der Abfahrt u.a. eine frisch geteerte Baustelle mit biomechanischer Ampel (ein Gehilfe zeigt die rote oder grüne Kelle) und vielen, gaaanz vorsichtigen Motorradfahrern, denn der frische Asphalt sah tückisch ölig aus. Die sehr engen Kurven und die wilden Biker machten die Abfahrt insgesamt schwierig. Auf der "Autobahn" gelangten wir dann rasch nach Brixen, wo wir eine steile Straße ganz, aber so richtig ganz hochfahren durften, bis wir an unserer Pension ankamen. Dafür war der Abend im historischen Zentrum mit Pizza Diavolo und dem ersten richtig guten Eis ein gerechter Ausgleich.

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Diese Nacht mussten wir zu viert in einem Zimmer schlafen. Dafür war es die teuerste Pension - 33 Euro pro Nase, sonst zahlten wir eher 25.

Schön, diese 3000Hm gingen am Ende doch leidlich. Ich hatte mich auch gut vorbereitet - vor zwei Wochen 272km mit 3000Hm allein, vor einer 250km ... ich freute mich über jeden der vier Marathons im August vorher, so hatte ich wenigstens Ausdauer.

Aber nun das Ganze noch vier Mal? Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut und schlief ziemlich unruhig, da konnte auch Gudrun nicht helfen. Ich musste schließlich fahren ...

Gudrun und Marianne hatten sich übrigens inzwischen Sterzing angesehen:

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Alles kann man leider nicht selbst haben ...

3. Etappe, Brixen - St.Vigil (8.9.09)

95.9 km, 3210Hm, 15.2 km/h, 6h 17m netto / 8h 20m brutto, 8-30 Grad

Pässe: Würzjoch (1750Hm), Furkelpass (750Hm)

Das Verhältnis Streckenlänge zu Höhenmeter erinnert eher an einen MTB-Wettkampf denn an eine Rennradtour. Wir erwarteten einen niedrigen Schnitt und wurden diesen Ansprüchen auch gerecht.

Aber ich wusste, dass das Würzjoch sehr schön ist, schon aus dem Auto heraus. Um wieviel schöner ist es erst mit dem Rennrad! Leider haben unsere Frauen das nicht gesehen, dafür aber mehr als wir von Brixen und Bruneck, zum Beispiel die berühmten Deckenmalereien im Kreuzgang des Brixener Doms und den Dom selbst:

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Abgesehen davon, dass ich Peter eine lockere Schraube für den Bowdenzug des Umwerfers nachziehen musste, danach den Anschlag seiner Gangschaltung verstellte und die Schaltung neu justierte ("Mein Mechaniker ist 75, ein alter Rennfahrer und hat sehr viel Erfahrung!" - jaja, sagte ich, die verdienten sowjetischen Spitzennutten hatten Lenin auch noch persönlich gekannt ...), verlief der Aufstieg friedlich, genussvoll und war wunderschön:

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Weiter oben zeigten sich die Geißlerspitzen mit dem 3000er Saas Rigais, auf dem ich auch schon war:

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Die Straße schlängelte sich an steilen Wiesenhängen mit großartigen Fernblicken nach oben und nahm mehrere Nebentäler mit, auch eine Abfahrt war hin und wieder dabei:

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Es war max. 10% steil, am Ende kurz einmal 11%. Die Abfahrt hingegen wurde wegen Längsrissen in den Straßen recht spannend und beglückte uns wie erwartet mit einem gar nicht flachen Gegenanstieg.

Die originale Transalptour lief vermutlich nicht durch San Martino, doch das tut wenig zur Sache. Wichtiger war, dass es dort ein Lebensmittelgeschäft mit Getränken und leckerem Löcherkäse gab.

Nach Zwischenwasser kam der erste ernsthafte Tunnel - über 800m lang. Ein Glück, dass Peters Lampe noch vollständig war und funktionierte. Der Tunnel war hell beleuchtet, ich strahlte mit meinen Bändern nach hinten, der Untergrund war gut, aber Angst hatten wir trotzdem. Peter zog mit 45-50 Sachen vornweg, bergab keine Kunst, bei diesem guten Licht auch nicht. Draußen wären wir dennoch langsamer gefahren. Der nächste Tunnel, "nur" 460m. Es ist nicht nur die Beklemmung, das Schlimmste ist der Lärm. Über einem startet deutlich hörbar ein Flugzeug, und dann kommen gerade mal 1-2 Autos um die Ecke. Wer's nicht glaubt: Mal im Tunnel die Autoscheiben herunterleiern.

Fünf Tunnel hatten wir bis St. Lorenzen zu absolvieren. Stress pur. Nach Bruneck hinein kamen wir nicht, das war "Frauensache" - hier wieder ein paar Bilder von Gudrun ...

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Wir fuhren bis nach Stefansdorf (anscheinend verlief dort entlang die Originalroute), aber dann ging die Fragerei los. Kein Problem in Italien, überall erhält man bereitwillig nette Auskunft. Wir kamen auf einen asphaltierten Fahrweg mit sehr spannendem Verlauf und insbesonderen sehr spannenden Bergen, im Wald bis hinauf zu 17% auf kurzen Stücken. Ein entgegenkommender Rennradler bewies immerhin, dass die Piste nicht zum Sandweg wird ... wir sparten so die große Schnellstraße mit ihrem wilden Verkehr und lernten eine tolle Ecke kennen, um den Preis von Stress und erheblichen Krafteinsatz.

Aber wir kamen in Olang an. Nun hieß es wieder fragen, denn wie beschrieben ist der Furkelpass schlecht ausgeschildert. Der Mann in der Hotelrezeption gab eine gute Beschreibung, aber er hatte so ein komisches Lächeln dabei, eher anerkennend als etwa hinterhältig.

Wir mussten noch zweimal fragen, kamen aber letztendlich doch auf die richtige Straße, nachdem wir zwei Tourenradfahrern aus Sachsen und Thüringen nach bestem Wissen und Gewissen weiterhalfen (und kommste mal nach Afrika, ein Sachse ist bestimmt schon da, sagten unsere Altvorderen).

Die Straße war schön mit herrlichen Aussichten:

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Aber steil, hundesteil. 13%, 16%, immer wieder:

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Ich denke, das war der steilste Pass bei der Tour überhaupt, der war wirklich pyrenäenartig - und es war viel zu heiß. Nun verstand ich das seltsame Lächeln des Hoteliers.

Oben entschädigte uns ein toller grüner See für die Mühen:

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Die Abfahrt war auch steil, aber das störte nun gar nicht. Und vor allem: Es gab keine Motorradfahrer und kaum Autos. Herrlich. In der Ferne grüßten bereits Pelmo und Civetta ... übermorgen, übermorgen ... Dank einer netten jungen Radfahrerin fanden wir die Pension sofort, sie war luxuriös, alles bestens. Auch das Abendessen vom Feinsten. Herz, was willst Du mehr.

Schön, die zweite 3000er geschafft. Hatte ich ja schon in den Pyrenäen gehabt. Und nun das Ganze nochmal von vorn ... aua ...

4. Etappe, St.Vigil - Sexten (9.9.09)

105.1 km, 2215 Hm, 19.6 km/h, 5h 20m netto / 6h 45m brutto, 9-23 Grad

Pässe: Valparola (800Hm oder mehr), Tre Croci (knapp 600Hm)

Zunächst ging es sehr zügig und kühl hinab ins Tal nach Zwischenwasser, mit einem Tunnel dazwischen. Wir hatten uns mittlerweile den erforderlichen Tunnelblick antrainiert, wir waren dem gewachsen. Es war leicht bewölkt bis hochneblig, was das Fahren erleichterte: Ich musste nicht so viele Fotos machen. Auf 32.6 km/h Schnitt kamen wir, ohne uns irgendwie anzustrengen.

Auch das Tal hoch nach Alta Badia war sehr schön, und die leichte Steigung spürte man kaum, wir fuhren flott. Links hohe Felswände, rechts schäumte der Fluss grün. Erst ab Abzweig St. Kassia hieß es stärker in die Pedale treten. Die Berge hingen größtenteils noch in Wolken mit Lichtflecken dazwischen. Der starke Verkehr ließ endlich nach.

Der Valparola-Pass war nicht schwer zu fahren, die Steigung erreichte nur stellenweise mal 11-12%, war aber in der Regel flacher. Die Blicke dafür um so toller:

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Oben machte Gudrun Zielfotos von uns. Wie immer bemühten wir uns, möglichst leidend auszusehen, ich bin wohl gerade in einer Art Schlusssprint:

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Peter hatte noch ein nachhaltiges geriatrisches Ereignis (Geriatrie = Wissenschaft von den Altersbeschwerden): Kurz vor der Passhöhe fuhr eine Rennradlerin mit geschätzten 20-25 Jahren Alter vor ihm. Als er sie überholte und sie ihn anschaute, erschrak er: Die junge Biene war locker 10 Jahre älter als er ... und Peter war 62. Oben wartete offenbar ihr Sohn auf sie.

Auf uns hingegen warteten altersgerecht Gudrun und Marianne. Vor allem Marianne war begeistert von der Panoramatour. Und es sollte so weitergehen:

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Der Falzarego-Pass kommt hier hoch:

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Den habe ich noch nicht, weil ich mich beim Dolomitenmarathon gedrückt hatte und die längste Strecke fuhr ;-)

Die Tofana in den Wolken:

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Und der Antelao über Cortina d'Ampezzo dampfte wie ein Vulkan (auch ein 3000er, nicht leicht zu besteigen):

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In Cortina, durch das wir uns leidlich fitzten, übersah Peter einen Abzweig. Wie immer hörte er mein Rufen nicht und flitzte weiter. Ich wartete derweil, denn irgendwann würde er schon bemerken, dass er allein fuhr. Nun hatte ich mein nachhaltiges geriatrisches Ereignis: Eine alte Oma mit strähnigem grauen Haar und gebückter Haltung sah mein Trikot "Maratona Dolomites" und wurde gleich ganz lebhaft. In etwas Deutsch erzählte sie mir, dass sie früher auch Rennen gefahren sei, mit Nummer und so, die Pässe hinauf und hinunter. Sie lebte richtig auf dabei. Man soll die Leute eben nie nach dem ersten Eindruck beurteilen.

Inzwischen war Peter zurückgekehrt, und wir stiegen zum Pass Tre Croci auf. Sicher, an die 11% Steigung kommen dort auch vor, aber insgesamt kein spektaktulärer Anstieg, dafür mit vielen schönen Blicken und in grünem Lärchenwald. Ich war hier schon 1999 gefahren, damals fiel es mir viel schwerer. Kein Wunder, damals saß ich erst seit einem Jahr auf dem Rennrad.

Wie wir heute allerdings noch 3000Hm zusammen bekommen wollten, war mir schleierhaft.

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Wir näherten uns dem Misurinasee:

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Bei der Abfahrt war vor uns eine Kehrmaschine, die ab und zu große weiße Wolken von Kalkstaub aufwirbelte. Peter erwischte es beim Überholen voll, er wurde zum Schneemann und hatte kilometerlang mit dem Abhusten zu tun.

Das Wetter war passabel, sogar die drei Zinnen zeigten sich an der bekannten Stelle:

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Auf großer Schnellstraße fuhren wir dann von Toblach nach Innichen und leicht bergan bis Sexten. Quartier gab es erst im Nachbardorf Moos, aber ein schönes:

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Und das Abendbrot war auch gut, vor allem Peter war voll des Lobes. Es sind nicht nur die Berge daran schuld, dass Rad fahren in Italien so attraktiv ist.

Gudrun und ich machten vorher noch einen Abendspaziergang und schauten uns die Sextener Dolomiten von etwas weiter oben an:

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Es war eine sehr schöne Etappe, eine richtige Panoramatour. Aber eines bereitete mir eine unruhige Nacht: Nach Beschreibung eines Transalp-Teilnehmers hätten es 1000Hm mehr sein müssen. Damit war die Gelegenheit vertan, an wenigstens drei Tagen hintereinander über 3000Hm zu fahren. Wie sollte ich so meine Leistungsfähigkeit beweisen???

5. Etappe, Sexten - Falcade (10.9.09)

148.0 km, 3300 Hm, 18.9 km/h, 7h 48m netto / 9h 40m brutto, 8-32 Grad

Pässe: Kreuzbergpass (460Hm), Passo San Antonio (275Hm), Passo Cibiana (760Hm), Passo Staulanza (820Hm) - die Königsetappe!

Peter hatte einigen Bammel vor dieser Etappe, denn der größte Pass kam am Ende. Laut Beschreibung war der Staulanza jedoch nicht so schwer, und ich wusste von einem Hochtourenurlaub, wie schön diese Ecke ist - das beflügelt.

Zunächst ging es gemächlich, wunderschön und einsam bei kühler Morgensonne hinauf zum Kreuzbergpass, wenig schwierig:

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Die Abfahrt war wieder mal nicht von schlechten Eltern und deutlich steiler:

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Unten im Tal empfing uns Auronzo mit einem phantastischen Bergpanorama, einem grünen See und einem freistehenden Kirchturm, wie man sie oft in Italien sieht:

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Peter fürchtete, dass seine Bremsbacken zu sehr abgenutzt wären - Ersatz war im Auto (meine DuraAce-Backen halten nun schon 8000km und sind noch lange nicht abgenutzt, ein Phänomen!). SMS an unsere Lieben: Wenn Ihr uns überholt, bitte anhalten!

Wir bogen nach rechts ab und fuhren leicht bergan auf die hellen Bergketten zu. Wieder mal eine frisch geteerte Baustelle, diesmal lang. Gelegentlich ein Schild "Misurina" ... da waren wir doch erst gestern ... scheint es zweimal zu geben!

Nein, gibt es hier nur einmal, wir waren falsch, um 180 Grad geirrt. Alles wieder zurück, 7km zum Ausgangspunkt und einige Höhenmeter. Selbstredend waren unsere Frauen inzwischen dort, weitere SMS - schließlich ist Königsetappe, das ist Abwechslung vorprogrammiert.

Jedenfalls waren Peters Bremsen doch noch in Ordnung (aber falsch eingestellt), es ging nun erst einmal eine Weile bergab. Eine ziemliche Autobahn mit Gegenanstiegen und Fernblicken in einem weiten Tal.

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Gegen Ende wie angekündigt zur Abwechslung wieder ein längerer Tunnel. Es war höchste Zeit, sonst würde mich der Titel dieser Geschichte Lügen strafen.

Danach rechts hoch in das nächste Tal in gemäßigtem Tempo, denn jetzt sollte ein schwererer Pass folgen, der Cibiana. Die Beschreibung stimmte gut: In Venas di Cadora zunächst einmal 10%ig steil hinab in ein einsames, enges Tal mit wildem Fluss und hohen Bergen ringsum. Kurze Esspause, dann ging es los. Der Cibiana war keine Mogelpackung: 10% standen drauf, 13% waren drin, an vielen Stellen. Und es war warm.

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Offenbar war der wuchtige Kegel links der Duran, ein 2600m hoher Berg, der mir einst von Pelmo und Civetta aus immer wieder in der Ferne auffiel:

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Auf dem Pass gab es einen Hochseilgarten, doch unser Bedarf an Klettern war momentan gedeckt. Eine teure Cola, Peter ruhte seine Füße aus, dann ging es hinab in die große Abfahrt nach Forno. Herrliche Ruhe überall, insbesondere keine Motorräder.

Nun kam der "Hauptpass", der Staulanza. Und es war wie angekündigt: Immer gleichmäßige Steigung, meist 6-10%, unten einmal kurz 13%. Wolken schützten uns vor unbarmherziger Sonne und erlaubten dennoch den Blick auf die hohen Berge ringsum, so auf die Civetta (3200m), bei der ich hier den Normalweg eingezeichnet habe (de facto ein leichter Klettersteig):

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Weiter oben gab es wie bei www.quaeldich.de beschrieben ein "Kehrenfestival", das wirklich toll aussah:

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Und über allem thronte mächtig der Monte Pelmo (3100m; genauer, das hier ist der Kleine Pelmo):

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Auf dem Pass genehmigte ich uns Cola und Apfelstrudel. Genieße den Moment, die Zukunft kommt von allein.

Der "Monsterpass" war also geschafft, aber wir noch nicht am Ziel. Die Abfahrt bot bezaubernde Fernblicke:

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Nach einem Abzweig links wurde die Abfahrt wild und sehr eng. Wenn kein Verkehr ist, kann man die Kurven fahren wie in den Pyrenäen - nur gab es hier viele Längsrisse und Löcher. Die Dolomiten liegen eben weiter nördlich, haben strengeren Winter und mehr Steinschlag.

Unten ging es mit Rückenwind im Karacho Richtung Alleghe, die berühmte NW-Wand der Civetta (1200m hoch, 3km breit) türmte sich gewaltig 2300m höher über uns auf:

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Pause am See, uns ging es eigentlich gut. Nur am Ziel waren wir eben noch nicht. So ging es die nächste "Autobahn" bis Cencenighe, dann rechts ab zum Ziel Falcade. Vor das Ziel hatten die Straßenbauer jedoch den nächsten Tunnel gestellt, diesmal gleich 1160m lang, und das noch bergauf. Auch dies überlebten wir alten Tunnelhasen mit Bravour. Beim Schreiben dieser Geschichte müssten die letzten Abgase inzwischen aus meinen Lungen entschwunden sein.

Weil es die Königsetappe war, ging es immer mehr bergauf - je Falcade, desto steil. Ein paar junge Tourenradfahrer überholten uns teilweise, brauchten dann aber schnell eine Pause. Mir war nicht nach Kampfspielen zu Mute. - Gudrun navigierte uns eigentlich recht gut per SMS zum Hotel, die richtige Straße war schnell gefunden. Doch Peter hatte einen Fahrkrampf: Er sah einen Berg und musste hoch. Wenn die Pension in Brixen oben auf dem Berg am Ende der Straße lag, dann musste das in Falcade auch so sein.

Nicht jede Verallgemeinerung ist jedoch richtig. Das Dumme war: In dieser eigentlich noch dicht bebauten Straße gab es nicht einmal jemanden zum Fragen, auch das eine Hotel war zu. Mausetot, es war kein Winter, ohne Skifahrer kein Leben. Also doch mal ein Auslandsgespräch riskiert und Gudrun angerufen: Alles zurück, das Hotel lag gleich unten.

Ich war doch recht fertig und fiel beim Anhalten sofort in eine Art Erschöpfungsstarre. Doch das gab sich, zumal mir Gudrun erzählte, dass wir im Erdgeschoss wohnen. Welche Wonne es ist, nach 5 schweren Etappen keine Treppen steigen zu müssen, kann nur nachvollziehen, wer Ähnliches durchlitt.

40 Euro pro Personen klangen viel, doch das war Halbpension, und angesichts von Menge und Qualität des Abendbrots war dieser Preis fast geschenkt. Zumal wir zum Essen nur im Haus hinab laufen mussten (und dann aber bis zu 2 Etagen wieder hoch ...). Der Vermieter war auch sehr nett. Eigentlich ging es uns doch gut.

6. Etappe, Falcade - Feltre (11.9.09)

113.1 km, 2300 Hm, 18.6 km/h, 6h 05m netto / 7h 40m brutto, 9-28 Grad

Pässe: Passo di Valles (600Hm), Passo Rolle (500Hm?), Passo Cereda (600Hm)

Eine Flachetappe, also die 7., ist keine Etappe - somit hieß es "vorwärts zu letzten echten Tour". Ein wunderschöner Morgen lockte uns hinaus in die Berge:

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Zum Pellegrino führte die Straße später geradeaus, wir bogen nach links auf den Valles ein, es ging gleich zur Sache:

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Aber am Ende ließ sich auch das fahren, und vor allem wieder fast komplett verkehrsfrei. Der Blick zurück auf Pelmo (ganz links, der Stummel mit Spitze) und Civetta (die lange Bergkette rechts davon) zeigte, was man an einem Tag so fahren kann und ließ einen träumen:

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Die Abfahrt in der Morgensonne war noch schöner:

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Auf halbem Wege ging es links hoch zum Passo Rolle auf guter, ruhiger Straße, nur wandernde Gebirgsjäger und ein Wagen der Finanzpolizei (wer hinterzieht in so einer Gegend Steuern??) unterbrachen die Ruhe.

Obwohl ich vor zwei Jahren schon mit dem Taxi hochgefahren wurde, beeindruckte und überraschte der Anblick der Pala-Gruppe bei Anfahrt auf den Passo Rolle aufs Neue:

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Auf dem zweiten Berg von rechts (der linke mit Wolkenfahne), da waren wir vor zwei Jahren, und es war gar nicht so schwer ... ein schöner 3000er, die Cima de Vezzana, der höchste Berg der Gruppe, nur 2:08h ab Rosetta Hütte ... das war wohl schnell :-)

Die Abfahrt nach San Martino war wieder ein Erlebnis:

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Unsere Frauen überholten uns hinter San Martino nicht, Rennräder sind schneller. Aber dann ging es hoch zum Cereda, dem letzten schweren Pass, und unser Begleitteam kürzte geradeaus ab.

Der Cereda-Pass ist nicht ganz so schwer wie bei www.quaeldich.de beschrieben, die 13% kommen nur unten ein paar Mal, ansonsten sehr solide 10-11%. Es war ziemlich ruhig, kaum Motorräder. Oben schängelte sich die Straße kehrenreich durch die Wiesen:

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Und wieder gab es herrliche Blicke bei der Abfahrt:

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Dieses Foto hätte uns fast einen Sturz gekostet, denn Peter fuhr hinter mir und hörte meinen Ruf nicht. Eine Bremshand loszulassen, um ein Zeichen zu geben, traute ich mich nicht, und dass ich langsamer fuhr, hatte er offenbar nicht bemerkt. Aber es ging alles noch einmal gut ab - das Ergebnis war es wert.

Wir rätselten noch etwas über die Tourführung, bis wir merkten, dass "Val de Mis" auf dem Höhenprofil offenbar kein Ort ist, sondern ein Tal - und richtig, es tauchte nämlich auf einem braunen Hinweisschild auf. Sicherheitshalber fragte Peter nochmals einen Ortskundigen:

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Das Problem bei dieser Art Ortskundiger ist, dass sie sehr nett sind und immer "ja" sagen, auch wenn es falsch ist. Aber eine freundliche, dreiköpfige Familie bestätigte mir kurz darauf, dass wir richtig sind. Erstaunlich, wieviel Italienisch man so fast ohne Sprachkenntnisse versteht!

Sausend ging es hinab -

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und dann begann das große Staunen. Das Val de Mis ist einsam, eine wilde Schlucht mit vielen kurzen Tunneln (nichts Neues!), riesigen Berghängen rechts und links, einem rauschenden Fluss unter uns und einer schmalen Straße. Es ging endlos so weiter auf mäßig guter Straße, man kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Am Ende noch ein Stausee, wieder mit grünem Wasser:

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Unsere Frauen, die anders fuhren, erlebten interessanterweise ein ähnliches Tal.

Es war schwülwarm und bewölkt, ab und zu erwischten uns wenige Tropfen, doch nass wurden wir nicht.

Das war eines der großen Highlights der Tour. Nur die Höhenmeter stimmten wieder nicht - 3000 sind zwar Ehrensache, nur fehlte dazu noch viel. Also musste es jetzt eigentlich dicke kommen.

In Sospirolo ging es auch wie befohlen bergauf, die Wellen konnten ja heiter werden. Doch die Orientierung war schwierig, und auf halbem Wege folgten wir irrtümlicherweise einem Schild nach Feltre - und schon landeten wir unten auf der Schnellstraße bei San Giustino. 3000Hm wären es so oder so nicht geworden. Dafür war es aber eine geile Tour :-)

Wir waren zeitig genug da, es gab noch Kultur. Feltre ist alt, auf den ersten Blick verfallen, doch unbedingt sehenswert. Diese Stadt hat einen ganz eigenen Reiz, dem man sich kaum entziehen kann. Ich zeige einfach ein paar Bilder:

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Unsere Frauen sind übrigens nicht mehr folgsame Anhänger ihrer Männer, sondern packen die Stiere bei den Hörnern, wie das folgende Foto zeigt:

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Eine hoffentlich würdige Ehrung für unsere Begleiterinnen, Kulturabgeordnete, Quartiermanagerinnen und Nach-der-Etappe-AufmunterInnen. Und Dank gleich noch für Gudruns Fotos - nicht alle konnte ich hier extra kennzeichnen.

Der Abend klang mit großen Pizzen aus und einem Fragezeichen: Wie fahren wir morgen?

7. Etappe, Feltre - Bibione (12.9.09)

138.5 km, 300 Hm, 30.2 km/h, 4h 35m netto / 5h 50m brutto, 16-31 Grad

Flachetappe

Wie die Originalroute genau verlief, war nicht herauszufinden. Aber darum ging es weniger, Hauptsache, eine schöne Strecke mit vielen Eindrücken. Das hatte geklappt. Wir suchten uns eine möglichst leicht zu findende Route heraus, weil uns gutes Kartenmaterial für diesen Abschnitt fehlte. In Italien fragt man ja gern, was wir auch taten.

Es ging zunächst in irrem Tempo bergab mit Rückenwind aus den Alpen heraus, anfangs noch durch ein tiefes Tal:

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Vorbei an einem französischen Kriegermonument ...

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... nach Montebelluno hinein (bis dahin 33.6 km/h!), wo wir wie unsere Frauen den richtigen (kaum markierten) Abzweig nach Nervesa verpassten und dafür dank freundlicher Auskünfte auf eine einsame, schöne Landstraße zum gleichen Ziel gelangten; vorbei an einer modernen Kirche ...

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... und dann dachten wir schon, wir wären im Kreis gefahren und wieder in Bayern herausgekommen:

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Schließlich Nervesa, Pause am Wasserhahn, Powerbar essen. Der örtliche Mafiaverein mit Donnas hielt gerade im Rathaus eine Konferenz ab - oder vielleicht war es auch nur eine Geburtstagsgesellschaft:

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Seit dem Abzweig gab es Kantenwind, dann zunehmend von vorn. Wer die endlosen norditalienischen Geraden kennt, ohne Abwechslung, ohne Schutz, weiß, wie wir gelitten haben. Ich fuhr den ganzen Tag ohne Ausnahme trotzdem vorn, auch weil ich in der Dresdner Ecke nie die Gelegenheit habe, einmal so flach und schnell zu fahren. Und da Peter wie üblich an jedem Pass als Erster oben war (ich versuchte gar nicht erst, ihn zu überholen, allein der Respekt vor der Tour ließ mich schon verhalten fahren), befriedigte ich so mein Ego.

Und immer wieder grüßten die Alpen, zu deren Südrand wir parallel fuhren:

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Wein gab es in jeder Menge rechts und links. Aus StVO-Gründen bevorzugten wir die unvergorene Form:

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Endlos zogen sich die Straßen, eine gerade Linie bis an den Horizont und darüber hinaus. Schließlich kamen wir doch in Odarzo an, dem Ende unserer kopierten Karte. Die Stadt war wieder einmal historisch:

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Meine große Straßenkarte schlug nun Portogruaro als Nächstes vor, und siehe da: Am ersten Kreisel wies gleich ein Schild in diese Richtung. Klappte ja alles wie an Schnürchen, sogar der Gegenwind tat weiterhin fleißig seine Arbeit.

Unglaublich, wie lang 38km sein können, wenn es nur geradeaus und dazu noch mit Gegenwind geht. Man sieht die Herausfordernung dann mehr im Sportlichen, obwohl die Gegend durchaus Sehenswertes bot.

Endlich, endlich der Abzweig nach Bibione, noch 16km. Der Schnitt war inzwischen auf 29.6km/h gesunken (wie gesagt, auf langen Geraden schielt man nur auf den Tacho). Nun kam der Wind endlich einmal seitlich bis von hinten. Ich war kaum noch zu halten und berechnete den Krafteinsatz so, dass ich im Ziel halbtot umfalle. Dort hatten wir 30.2km/h, was rechnerisch ca. 37km/h auf den letzten 16km entspricht. Ein würdiger Abschluss, doch noch waren wir nicht ganz da ...

Bibione begrüßte uns mit zwei Ortsschildern. Für ein Foto eignete sich das rechte besser. Wir mussten ohnehin einen Bogen dort vorbei machen. Peter hatte aber offenbar das zweite Schild nicht gesehen und hörte nicht, was ich sagte. Als ich davor stehen blieb, fuhr er langsam auf mich auf, und wir fielen beide um.

Da lagen wir nun: Peter mit blutenden Schrammen an Knie und Ellebogen, ich mit einer Acht im Hinterrad, das sich nicht mehr zwischen den Bremsen drehen ließ. Kurzum, wir waren am Ziel.

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Das Foto (am linken, großen Schild) wurde trotzdem, unsere beiden Frauen erschienen alsbald. Gemischt mit Auto und Rad ging es zum Hotel in einer weitläufigen Häuseransammlung namens Bibione, die im Wesentlichen nur aus Hotels und Geschäften bestand.

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Unser Hotel war aber gut, der Service exzellent, und Gudrun und ich nutzten die Zeit bis zum vorzüglichen Abendbrot noch zu einem ersten Bad in der Adria. Das tat gut. Zum ersten Mal waren wir in solch einer Gegend, die im Sommer die Hölle sein muss. Die 21 Reihen Sonnenschirme (wir hatten im Sektor 9 die Schirmnummer 291 zugewiesen bekommen) ließen es bereits erahnen:

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Es waren allerdings kaum Leute da, das Wasser war mit 19 Grad offenbar zu kalt, und es war deutlich ruhiger als im Freibad. Als ich im Liegestuhl lag, hörte ich einen Motor immer wieder kurz arbeiten. Das erschien mir seltsam, denn wo sollte hier Strom herkommen? Schließlich entdeckte ich die Ursache im Platz links vor mir:

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Schnarrrrchhhh, schnarrrrchhhh ...

Das Abendessen war sehr gut. Am Folgetag griff ich dann auch zu Kalamares, an diesem Abend beließ ich es bei Makkaroni und Tiramisu:

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Im Dunklen gingen Gudrun und ich noch gemütlich die ständig geöffnete Einkaufsmeile erkunden. Es gaben haufenweise hochattraktive Angebote:

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Sogar mechanische Radfahrer wurden von fliegenden Händlern feilgeboten:

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Zu spät, zu spät ... Bei geeigneter Suche gab es aber auch sinnvolle und gute Dinge und sogar das Bacio-Eis, von dem ich 2000 in Verona erstmals schwärmte.

Geschafft! Ich musste es erst einmal begreifen. Die Tour war schon genial, trotz einiger sehr verkehrsreicher Strecken und vieler Tunnel. Um die zu umgehen, bräuchte man genaue Gebietskenntnis und viel Zeit vor Ort. Ich bin schon froh, eine Strecke wenigstens ungefähr nachvollzogen zu haben, die einen Teil der Dolomiten relativ vollständig "zeigt" und einigermaßen zu bewältigen ist.

Udine (13.9.)

Da Peter und Marianne schon am Dienstag Abend goldhochzeitlich oder beim Armdrückdorfmeisterschaften-Viertelfinale verpflichtet waren, blieb uns nur ein Tag für reine Kultur. Die Wahl fiel auf Udine, und das war der nächste Volltreffer. Strahlende Sonne, italienische Hitze, ab ins Auto und hin zur laut Wikipedia sehenswerten Stadt.

Allerdings hat der liebe Gott für Autofahrer vor die Stadtbesichtigung die Parkplatzsuche gestellt. Und die war hier tückisch. Alles voll. Peter fuhr allein suchen, keine Chance in der Innenstadt. Am Rand des Zentrums ergatterten wir schließlich einen Platz, doch der Parkscheinautomat war stromlos. Bis uns ein Italiener erklärte, dass Sonntags hier gebührenfrei geparkt werden darf. Klasse, los! Komischerweise liefen überall Leute mit grünen Hüten und einer Feder daran herum, auch Kinder. Ein Volksfest?

Wir trennten uns - Gudrun und ich zogen allein los. Eine Italienerin erklärte uns den Weg zum Zentrum und meinte "Es sind Militari in der Stadt, ein paar Minuten warten!" Nun ja, italienische Minuten, die wir nicht bereuten. Es war die große Parade der Alpini, der Gebirgsjäger, inklusive Reservisten und Veteranen. Nun sind wir beide nicht so militärisch veranlagt, aber die Gesichter waren sehenswert wie die Zuschauer, die Stimmung war geradezu enthusiastisch. Lasst die Bilder sprechen:

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Hm, ich denke, der bekannte Bergsteiger Perry-Smith hat um 1900 gelebt?:

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Das war also die Ursache für die fehlenden Parkplätze. Manchmal kam ich mir vor wie bei einem Aufmarsch alter sächsischer Bergsteiger.

Nach diesen "wenigen Minuten" sahen wir uns noch das Zentrum an, in dem es endlos viel zu entdecken gab:

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Siesta ...

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Und dann entdeckte ich die ultimativen Radschuh:

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Nur die Spezialpedale dazu hatte sie offenbar noch nicht erstanden (ähnlich lang wie die Look-Pedale, aber mit einer Bohrung unter dem Absatz).

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Am letzten Tag das beste Eis bisher:

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Oben Joghurt-Orange mit ganz starkem, edlen Geschmack, darunter Bitterschokoladeneis, das wirklich auch so schmeckte.

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Ja, und Schneewittchen trug Adidas, nun ist es 'raus:

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Das folgende Bild wird meinen Freund, auch Freund aller Blondinen, mächtig freuen:

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Doch ein anderer Engel zeigt:

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Morgen geht es heim, basta!

Heimwärts (14.9.)

Die Heimfahrt ist eigentlich mit einem Bild beschrieben:

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Zu erwähnen wäre noch, dass in der Nähe des Tauerntunnels spätestens ab 1500m Höhe Schnee lag. Haben wir ein Schwein gehabt, die Woche vor dem Urlaub soll auch nur Mistwetter gewesen sein!

Dennoch bogen wir noch zur Göltzschtalbrücke ab, weil sich unsere beiden Gäste dafür so interessierten (und ich selbst noch nicht dort war):

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Peter und Marianne verabschiedeten sich am nächsten Morgen, der Alltag brach über mich herein.

Als ich am übernächsten Tag früh von Gudrun heim radelte, hatte sich Nebel wie dünne, graue Watte über das Elbtal gelegt, und die ersten gelben Blätter lagen auf dem Weg verstreut. Es war Herbst geworden.

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