Auf den Spuren von Friedensfahrt und Eisheiligen 2010

Erlebt und aufgeschrieben von Zwinki (zwinki2 @ gmx . de)

@(#) May 18 2010, 10:19:33

Übersicht

Einleitung
Prolog (12.5.): Dresden - Görlitz 116 km
1.Etappe (13.5.): Görlitz - Turnov 122 km
2.Etappe (14.5.): Turnov - Kudowa Zdroj 108 km
3.Etappe (15.5.): Kudowa Zdroj - Karpacz 113 km
4.Etappe (16.5.): Karpacz - Görlitz 125 km


Einleitung

Letztes Jahr nahm ich nach längerer Pause wieder an der Friedensfahrttour teil (vgl. www.itf-radreisen.de ), und selbst einige Pannen hielten mich nicht davon ab, wieder dabei sein zu wollen. Dieses Jahr hatten sich 95 Teilnehmer angemeldet, meines Wissens wurden es 88 - so viele erlebte ich bisher auf keiner Etappenfahrt. Entgegen allen Befürchtungen ergaben sich daraus aber keine Probleme.

Meine altgedienten Radkumpel Mary und Frank machten wieder mit, und sogar mein "Stammkumpel" Tria-Peter aus der Braunschweiger Ecke konnte in letzter Minute doch noch teilnehmen. Dafür wurde Frank krank und betreute das Buffet. - Das blieben nicht die einzigen Bekannten, denn nach vier Fahrten vorher kennt man sich langsam ... Solches Wiedersehen macht auch wesentlich den Reiz der Fahrt aus. Es ging diesmal weiter hinein nach Tschechien und Polen, auf jeden Fall würde mehr Neues für mich dabei sein. Meine Form war so ziemlich im Eimer, auch war ich ein bisschen krank im April, und generell war ich nach diesem langen Winter etwas breiter aufgestellt, um es im Manager-Sprech zu formulieren. Wahrscheinlich würde es nur für die jeweils "kurzen Varianten" reichen. Aber überhaupt erst einmal wieder hineinkommen.

Prolog (12.5.): Dresden - Görlitz

116 km, 900 Höhenmeter, 24.8 km/h (4:40/5:30h), 17-23 Grad

Auf Schleichwegen mit der LRB zum Start

Der optionale Prolog führte diesmal von Falkenberg nach Görlitz. Ich plante eigentlich die Anreise mit dem Zug dorthin, so wie die meisten. Aber aus technischen Gründen vermittelte mich Mary als Tourenguide an die Leipziger Truppe, die von Dresden aus fahren wollte. Nach deren Vorstellung könnte man ja die B6 fahren. Das fand ich nun gar nicht prickelnd, oder vielmehr äußerst prickelnd. Als Bestattungsunternehmer hätte ich ihnen gewiss dazu geraten, doch als Computerexperte möchte ich noch lange leben und arbeiten. Ich suchte eine bessere Route aus; nicht länger, aber mit weniger Bergen und Verkehr: Plan Dresden-Görlitz Diesen Zettel verteilte ich mehrfach unter dem lustigen Dutzend Fahrer, das da aus dem Zug sprang ... und alle waren so mit der Route beschäftigt, dass keiner fragte, was "LRB" heißt (Leipziger Rasselbande). Ich hätte darauf wetten können.

Das Wetter war generell mies angesagt, aber wir konnten nicht klagen. Es lief alles wie am Schnürchen: Die Sonne ließ sich oft genug sehen, ein kräftiger Wind blies fast nur von hinten, Baustellen ließen sich durchfahren, ich brauchte nur selten auf die Karte zu schauen. Die Truppe blieb schön zusammen. Wurde ich zu schnell (obwohl ich noch ziemlich angehackt war), kam gleich jemand vor und sagte: "Nicht so schnell, wir haben hier 17jährige dabei!" 17jährige?? Ach so, 70 ... ja, das halbe Feld der gesamten Tour könnten Rentner gewesen sein. Wie immer sagt das wenig über das Tempo aus.

Wir lagen gut im Plan und fassten in Bautzen ganz demokratisch den Mehrheitsbeschluss, auf der Reichenbachstraße (jedenfalls die am schiefen Turm) das legendäre Eiscafe zu besuchen:

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Oh ja, es schmeckte hervorragend. Ich machte derweil noch ein paar Fotos von der sehenswerten Stadt:

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(ganz hinten das Eiscafe), und dann gab es noch eines von uns:

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- da bin ich auch mal mit drauf (links) ...

Bis auf den Anfang in Dresden war der Anstieg vor Königshain der einzige nennenswerte Berg. Mit kameradschaftlicher Unterstützung schafften es alle:

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Auch die Jugendherberge fand sich, freudige Begrüßung der Bekannten. Tria-Peter kam völlig verschwitzt an: 170km mit den jungen Spunden mit über 30 Schnitt gehetzt, am letzten Berg (Königshain?) abgehängt. Aber es geht doch erst los ... Wir wohnten ausnahmsweise mal im ersten Stock. Später, wenn wir kaum noch die Treppen hoch kommen, wird es gewiss wieder die 3. Etage sein.

Nach einigem Suchen fanden wir Duschen - aus vier mach eins: Die zwei Duschen rechts waren nur für Liegeradler, oder sagen wir mal Fußwaschbecken ohne Becken. Links gab es zwei echte Duschen, von denen eine funktionierte. Doch gelernte Abenteuer-Etappenfahrer haben damit kein Problem: Während der Erste sich die Seife vom Körper spritzt, steht schon der Zweite hinter ihm und wir so von ihm eingeseift. Das geht schneller.

Radfahrer sind Piranas. Ich wusste es und beeilte mich trotzdem nicht genug. So bekam ich auch von der zweiten großen Salatplatte nichts ab. Satt wurde ich trotzdem.

Ich machte mich danach gleich zu einer Fotoexkursion in die wunderschöne Stadt. Die Bilder können nur einen kleinen Teil der Eindrücke wiedergeben:

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Die Vielfalt der Häuserfassaden ist erstaunlich. Görlitz soll die Hälfte der Einwohner verloren haben, weil es keine Arbeit gibt. Trotzdem machte Chemnitz vor einem Monat mit seinen unzähligen leerstehenden, verfallenden Häuserblöcken einen ungleich deprimierenderen Eindruck auf mich. Die schönen Häuser hier schienen doch bewohnt zu sein.

Es gab 21 Uhr noch eine Führung mit Nachtwächter. Die ließ ich aus, ich war müde und hatte mein "Büchsenlicht" für die Kamera gehabt.

Wir schliefen zu fünft in einem Zimmer mit zwei konditionell stark aufgestellten Schnarchern. Na, wenn die so fahren, wie die schnarchen ... Vor allem Peter litt, wobei er doch schwerer hört als ich. Aber sonst alles paletti.

1.Etappe (13.5.): Görlitz - Turnov (CZ)

122 km, 1500 Höhenmeter, 22.8 km/h (5:20/6h), 9-21 Grad

Auf nach Tschechien mit Hindernis

Himmelfahrt! Mal sehen, wie wörtlich das zu nehmen sein würde. Frisch fühlte ich mich nicht, so wie schon das ganze Frühjahr. Da fiel mir bei diesem Trikot nichts anderes ein:

(Foto)

Doch zunächst kamen erst einmal der Görlitzer Bürgermeister nebst Polizeiauto zu uns, hielt eine Rede - und dann fuhren wir mit ihm rund durch die Stadt und anschließend auf die Landeskrone, den markanten Vulkankegel bei Görlitz. Mary warnte mich, dass oben das dicke Ende kommt - danke, Mary! - und dass sie es mit einem Gepäckrad schon einmal nicht schaffte.

Der Asphalt war wirklich schlecht, und es wurden bald über 13%. Irgendwo schoben die ersten. Ich kämpfte heftig und lavirierte mich so durch. Dann wurden es in einer Kurve tatsächlich 21% - dort schoben schon einige. Leider auch Mary. Ich war sehr froh, nicht absteigen zu müssen, wo intensive Anstrengungen dieses Jahr bisher nicht klappen wollten. Wer es geschafft hatte, strahlte:

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Dabei war es eigentlich noch sehr kühl und windig. - Der Start wurde mit einer Feuerwerksrakete gefeiert, dann ging es los.

Die Polizei brachte uns noch bis Hagenwerder (ich befürchte, das hängt mit neuen, noch strengeren Vorschriften für Radfahrer zusammen - neuerdings zählt nach §29 VwV-StVO bei spitzfindiger Auslegung alles als Rennen, was Startnummern mitführt, auch wenn die StVO eingehalten wird ... welcher realitätsferne Bürokratenschädel denkt sich solchen Schwachsinn aus ...). Das Wetter war trüb und kühl, doch wenigstens der dieses Jahr besonders intensiv gelb blühende Raps brachte leichte Frühlingsvisionen ins Hirn. In Zittau ging es über sehr, sehr historisches Pflaster zum Markt zwecks Foto und kurzen Halts. Meister Nadelöhr tauchte plötzlich auf, der alte Brevet-Hase aus unserem Cielab-Forum, der nun auch schon sein Paris-Brest-Paris hinter sich hat. Nein, er fuhr diesmal nicht von Dresden nach Zittau und dann vielleicht weiter nonstop nach Moskau, nur Urlaub.

Am Neise-Radweg beim Dreiländereck gab es das erste Buffet, gut und lecker wie immer. Danach hörte der Spaß auf: Im sog. Kammloch durfte man auf einem kilometerlangen Anstieg die Kalorien gleich wieder verbrennen. Oben hatte ich Probleme mit der Orientierung: Die Tour war mehr als dürftig beschrieben, die Karte sehr lückenhaft. Dabei waren wir schon in Lückendorf ... Mary hatte eine eigene Karte mit, es ging geradeaus hinab nach Tschechien.

Dass ich ausgerechnet diesmal keine eigenen Karten mitnahm, hat mich bis zum Schluss geärgert. Ich komme noch oft darauf zurück.

Unten, schon in leichter Sonne, rätselten wir (u.a. Peter, Mary und ich) noch - ja, wir sollten doch links abbiegen. Einige, sicherlich die mit Navi, taten das auch, andere rauschten durch - dieses Jahr waren individuelle Fahrtrouten angesagt ;-). Die Straße war holprig und wurde nach Überqueren der großen Europastraße noch erheblich holpriger und auch steil. Den Ausflug zu einer Burg schenkten wir uns. Aber die Landschaft war schön:

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Später, inzwischen wieder auf besserer Straße, fuhren wir südlich am "magischen Berg" Jested mit seinem markanten Turm vorbei:

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Diese Ecke Tschechiens ist wirklich immer wieder schön, und auch das Wetter spielte mit. Hinter Osecna, beim 1137. Berg, fuhr Mary mir davon. Bei mir lief es schlecht. Doch bei anderen auch. Von hinten kam: "Mary, Du verheizt uns hier alle!"

Es ging durch Cesky Dub hindurch:

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Danach jagten wir das herrliche Mohelka-Tal bei Sonne und zwischen blühenden Bäumen hinab. Ich führte und konnte erstmals wieder schneller fahren. Dennoch schaffte Mary von hinten den Anschluss. Fährt ja heute ganz stark ... Der folgende lange Anstieg bot wieder rauen Asphalt vom Feinsten, es war ausgesprochen mühsam. Ich blieb an Bergen zurück. Beinahe wäre ich Zeuge eines Unfalls geworden: Ein Transporter kam hinter einem Bus hervor und fuhr frontal auf Peter Feige zu, dessen Hinterrad beim Bremsen schon schleuderte. Er drohte mit der Faust. Ob das der Autofahrer gesehen hat? Ich weiß aber nicht, wie schnell er fuhr.

Nach großer Runde war mir nicht zu Mute, auch Peter und Mary bogen nach der Autobahn links ab zum Ziel. Es jammerte mich, denn die Zusatzrunde durch das Böhmische Paradies hätte mich zu sehr interessiert. Doch das Können ist des Dürfens Maß, heißt es in Bergsteigerkreisen.

Schließlich kamen wir in Turnov an - viel Verkehr, viel historisches Pflaster. Letzteres ist in Tschechien ja selten, so viel davon wie dieses Jahr hatte ich noch nicht bei einer Tour unter den Rädern. Wir waren zu fünft und beschlossen, es uns am Markt erst einmal bei Kaffee und Kuchen gut gehen zu lassen.

Eine Gruppe Tachometerfokussierte von uns kam vorbei und sah nicht einmal das schöne Rathaus:

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Wahrscheinlich waren sie nur vom Leitwolf und dessen Navi geführt, denn sie bogen ohne Halt und Blick hoch richtig ab.

Unser Hotel "Karl IV." war wirklich königlich für Radfahrer. Peter und ich bummelten noch ein wenig ins Zentrum - einiges gab es zu sehen, z.B. eine sanierte Schule:

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Und - vielleicht von Manchem übersehen - ein interessantes Denkmal:

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Man beachte die Jahreszahlen.

Das Essen war gut, die Nacht war ruhig, und Peter wusste nun, dass ich nicht eines von den beiden Schnarchungeheuern der letzten Nacht war.

2.Etappe (14.5.): Turnov (CZ) - Kudowa Zdroj (PL)

108 km, 1500 Höhenmeter, 23.1 km/h (4:40/5:15h), 8-10 Grad

Die Regenschlacht

Früh duschte jemand ausgiebig, er hörte gar nicht wieder auf. So ganz langsam schwante mir, dass das Regen sein könnte. Der Blick aus dem Fenster war niederschmetternd. Wahrheit kann grausam sein.

Vom Start weg bis zum Ziel über 5.5 Stunden nur Regen und 9 Grad - das war leider eine neue Qualität auf Radtouren.

Es ging für mich zu schnell los, die Leute wollten offenbar warm werden. Ich fühlte mich vor allem bergan mies und kraftlos. Doch hinten hebt die Kuh den Schwanz, hatte Friedensfahrtidol Klaus Ampler einst zu Hobbyradfahrern gesagt. Peter war weg und Mary auch wieder mal schneller. Wir sammelten etwa 400 Höhenmeter auf den ersten 15km. Trotzdem, bei allem Leid innen und außen, hatte es seinen Reiz. Rechts hinten schaute die Burgruine Trosky heraus mit ihren beiden Türmen:

(Foto)

Wir kamen in die "Zone der roten Erde", ein interessanter Kontrast zum gelben Raps. Ich ließ mir Zeit für Fotos.

Irgendwo überholte ich Mary, die gerade wieder ihre eigene Kartenkopie studierte. Mir war nicht nach Anhalten, denn da drohte der Kältetod. Auf kurvigen, holprigen Pisten mit Schlaglöchern voll rotem Schlammwasser, durch alte Dörfer mit teilweise verfallenen Häusern und grauen Fabriken riss ich vor diesem Kältetod aus. Auf den Pfützen bildeten sich Blasen. Warum passiert das nur bei solch dauerhaftem Schlechtwetter? Schnelligkeit ist ein sehr relativer Begriff bei derartigen Bedingungen. Zum Denken kommt man dabei kaum, es bleibt eher ein ständiges Angst- und Stressgefühl. Vor Nova Paka erreichte ich unerwartet Peter sowie Detlef, den "Erfinder" der Tour (aber nicht der Autor der miesen Karten). Er wusste gut Bescheid und schwärmte von der Burg Pecko, die wir als nächstes sehen würden - vorher ginge es aber 8 km lang hoch, drohte er.

Nun ja, es ging eigentlich nur flach auf und ab und ganz zum Schluss wenig hoch. Aus dem von Detlef geplanten Fotostopp wurde nichts: Im Internet bei Sonne sah das alles ganz anders aus, meinte er. Dafür legte ich einen vor dem Brunnen auf dem Marktplatz ein. Wasser, das war doch das Thema des Tages:

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In einer Kurve steilte die Straße kurz auf 13% auf, und von oben hatten wir einen tollen Blick auf den Ort:

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Bei der Durchfahrt wirkte er weit weniger schön als auf den Fotos ... Ja, und jeder, der schon mal einen schwer verregneten Tag im Zelt ausharren musste, sollte bei folgendem Bild ähnliche Gefühle haben wie ich ...

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... beim Pinkeln.

Beginn der wahren Odyssee

Ganz oben, in einsamer Prärie, gab es die nächste Nuss zu knacken. Die ausgeteilte Kartenskizze wies Kal als nächsten Ort aus, also mussten wir nach rechts die schmale Straße. Nach dem Dorf wurde die Straße schlecht, richtig schlecht. Sogar sehr schlecht. Eigentlich eine Art deftiger Waldweg an Wasser mit einem zarten Hauch von Asphalt. Im Prinzip eine wunderschöne Gegend, nur dass von dichten Laubbäumen der Regen noch dicker herabtropft und man mit dem ständigen Ausweichen von Miniseen und Schlamm und Schotter mehr beschäftigt war als mit dem Genießen der Landschaft. Bloß keine Panne jetzt! Wir hatten die ganze Fahrt lang Glück.

Solche Straßen nehmen prinzipiell kein Ende. Nach dem Verlust aller Hoffnungen trat es doch ein, wir erreichten eine größere Straße, auf der zu unserer Verwunderung von rechts andere Fahrer kamen. Bergig erreichten wir Dvur Kralove. Detlef meinte: "Komisch, und ich dachte, wir kämen hier von links im Tal ..." Eine der vielen Ursachen war die mehr als grobe Darstellung auf der Karte, denn es ging gar nicht durch Kal hindurch, der Name bezog sich auf ein anderes Ringelein auf diesem leicht abstrakten Kunstwerk.

Wir beschlossen nach links zu fahren und kamen an eine große Baustelle, die einen Kreisverkehr verbarg. Gerade so erkannte man noch rechts den Abzweig nach Zirec - ausgerechnet dieses kleine Nest war ausgewiesen, welch ein Glück ... vorausgesetzt, wir mussten wirklich dorthin.

Schon wieder herrliche blühende Obstbaumalleen mit gelben Rapsfeldern, roter Erde und wunderbar grauem Regen. Längst quietschen die Schuhe. Welch eine Vorsehung, heute früh Überschuh angezogen zu haben. Nur Peter fuhr wie immer in kurzen Hosen. Orthopäde, ein Beruf mit Zukunft. Dafür hatte er das Problem eines Mitfahrers später in Nachod nicht: Dessen grauen Socken sollen früh angeblich weiß gewesen sein, was er aber bestritt - alles nur Täuschung.

Am Schloss Kuks ("Hospital Kuks") sollte ein ehemaliger Bahnhof sein mit dem Buffet. Also Abzweig fahren, Berg hoch - oben kam die nächste Gruppe von schnellen Leuten von rechts unten: Nein, weder am Bahnhof noch da drüben (Tal 'runter, Berg hoch) war ein Buffet. Danke für die Negativinformation! Also kann das Buffet nur noch dort oben sein. OK, lass' sie fahren. Kaum einen Blick hatte ich für das riesige Schloss übrig. Sehe ich mir später im Internet an. Bei Sonne.

Aber dort oben war wirklich das Buffet. Und es sollen erst 21 Leute vor uns da gewesen sein. 60km oder mehr Kampf gegen den Regen, wenigstens etwas zu essen und sogar warmer Tee. Das folgende Bild sagt eigentlich alles:

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Auf einem Stück E37 (man kam kaum zu Fuß über die Straße, und dann sollten wir dort noch fahren ...) gelangten wir zu einer schönen Nebenstraße, die sogar Nachod als Fernziel auswies - das wäre dann schon fast am Ziel.

Es ging wellig, holprig, nass immer weiter, nach meiner Erinnerung waren dann Peter und ich allein. Bis Ceska Skalice war es schön, mit Ausnahme des Dauerregens. Danach Megabaustelle, Suchen, Umleitung, andere treffen, einige 100m schlechten Fußweg fahren (dieser Tag bot einfach alles!), schließlich Ausfahrt aus dem Gewühle. Peter und ich hatten nach dem Orientierungschaos keine Lust mehr auf schwierige Routen, also wählten wir die vorgezeichnete einfache, nämlich die E37. Sieben Kilometer Standspur auf der Autobahn mit dröhnenden Lastern in strömendem Regen, am Ende mit einem ewig langen 6%-er - die Radfahrerhölle erscheint in vielerlei Gestalt, das war eine davon. Unsere Mitfahrer aus Ceska Skalice (u.a. Eddy, das Rentnerwunder aus Berlin) hatten eine Panne und ließen uns daher allein im Kampf gegen die Gewalten.

Peter wollte unbedingt ein Foto vom Ortsschild Nachod machen, wie immer am Ziel. Nur sehr langsam begriff er, dass wir noch lange nicht am Ziel waren. Wie soll man bei solchen Bedingungen auch noch denken.

Radfahrer sind clever und schaffen die Ortsdurchfahrt von Nachod in vielleicht 15 Minuten. Jürgen, der Buffetobmann, brauchte mit Auto und Hänger locker 1.5 Stunden. Es war ein bisschen Stau.

Polen, noch 2 km E37, Kudowa Zdroj, Zielort erreicht - vorher noch an der richtigen Stelle links abbiegen. Eine freundliche Kioskverkäuferin (ich kann zum Glück gut Polnisch) gab sehr präzise Auskunft, und wir fanden sofort unser Haus "Diament". Man verlieh mir den Sowjetorden "Held der Arbeit" dafür.

Die Begrüßung war toll: Zuerst war ein Gartenschlauch mit Sprühdüse da, wir konnten die total verschlammten Räder abspülen und dann in der Garage ölen, der Pensionschef wies uns gleich ein. Kein Warten.

Peter und ich bekamen ein luxuriöses Zweibettzimmer, leider in einem anderen Haus, der Villa "Elizabeth". Dort war aber zu. Frust wollte hochkommen, wurde jedoch alsbald durch eine elegante Dame mit Schirm und Schlüssel besänftigt. Einziges Manko: Der Sommerbefehl war bereits ausgegeben worden, die Heizung war schon aus.

Friedensfahrt-Ötzi Siggi soll vor Kälte zitternd im Bett gelegen haben, und er dürfte nicht der einzige gewesen sein, der gebibbert hat nach dieser Eisheiligen-Ehrung. Aber das muss man mit etwa 70 Lenzen erst mal nachmachen. Und die nächsten zwei Tage lustig weiterradeln.

Angekommen

Eine der Hauptbeschäftigungen war natürlich Waschen und Essen. Vor dem Waschen stand das Entschlammen. Nach dem Abbrausen der Wäsche und Hinunterspülen des Schlamms sah die Dusche erst einmal so aus:

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Und unser Bad so:

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Aber wir haben alles hinbekommen.

Peter Feige fuhr doch tatsächlich die große Runde. Wer mit 68 oder 69 in weniger als 250 Tagen von Alaska nach Feuerland radelt, fährt mit 70+ solche kurzen Duschexkursionen mit links.

Das Abendbrot vom Feinsten, Peter und ich gingen vorher noch in den Kurort und genossen zwei große Schalen Latte Macchiato bei Alfredo. Vor unseren Augen die pure Verlockung:

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Wir blieben aber standhaft. Auch ansonsten sah es recht mondän aus:

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Nicht alles perfekt und gewienert, aber insgesamt sehr erträglich. Billig keinesfalls, der Kaffee kostete 10 Zloty (2.50 Euro).

Wie im letzten Jahr und auch schon früher waren die Quartiere in Polen die besten, in jeder Hinsicht. Manche Ecken sehen schlimmer aus als in Tschechien, doch wenn die Polen loslegen, dann eben richtig.

3.Etappe (15.5.): Kudowa Zdroj (PL) - Karpacz (PL)

113 km, 1250 Höhenmeter, 20.8 km/h (5:25/6:30h), 6-10 Grad

Neue Landschaften

Der letzte Satz bestätigte sich beim besten Frühstück der Tour: Sogar die Milch für den Kaffee war heiß, auf einem Teewärmer. Alles sehr liebevoll zurechtgemacht in diesem Raum. Und die Leute sehr freundlich.

Das Wetter sollte kalt und trocken werden. Das Erste glaubte ich gern, das zweite? Es ging an Adrspach vorbei, der großen Felsenstadt mit 1.5 mal mehr Gipfeln als die Sächsische Schweiz. Sechsmal war ich dort in Urlaub (davon zweimal nicht verregnet), einmal von uns aus hingelaufen in 10 Tagen - aber noch nie mit dem Rad erreicht.

Der Start war urplötzlich auf 9:00 verschoben worden. Peter, Mary und ich waren überrascht und wollten nicht frierend herumstehen. Wir zogen schon 8:00 los. Mary kannte sich bestens aus, da sie jedes Ostern bei Adsprach Urlaub macht. Sie führte uns über clevere und schöne Schleichwege auf die Hauptroute, die hoch auf einen Sattel in 600m Höhe ansteigen sollte.

Der Anstieg war flach, Verkehr gab es keinen, dafür aber Sonne und das wichtigste Verkehrsschild Tschechiens:

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Die Gegend war wunderschön, wie immer:

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Oben auf dem Sattel sah es aber bereits wieder bedrohlich aus:

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Man drohte aber nur und machte keinen Ernst.

Von den Felsen sieht man von der Straße aus nicht viel:

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Alles geht eben nicht auf einmal. Dafür kamen wir mit Sonne bis Teplice und fanden nach Fragen (jaja, die Karte ...) auf den richtigen Abzweig Richtung Polen, wobei es noch eine Baustelle zu überwinden galt.

In Polen wurden das Wetter erst einmal schön und die Strecke flacher:

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Nach ca. 60 km stand auch schon das Buffet da. Mary verabschiedete sich von Peter und mir und wollte etwas ruhiger fahren.

Die Landschaft war ganz anders als bisher, die werde ich nicht so schnell vergessen. Aus welligem Wiesenland erhoben sind recht steile, bewaldete Berge, zwischen denen Wolkenfetzen orgelten. Die Sonne wirkte nach der Höllentour vom Vortag doppelt:

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Nur der kalte Gegenwind störte und zehrte.

Wir erreichten Krzeszow, eine Städtchen mit einem sehr großen Kloster, eine Pilgerstätte mit Massenbetrieb, von der ich noch nichts hörte:

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Das Kloster war im Unterschied zu den anderen Häusern prächtig, die Kirche wurde innen gerade teilweise restauriert. Überhaupt ist Polen derzeit ein Land krasser Gegensätze - es gibt sehr reiche, sehr gut restaurierte Gebäude:

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Und auf der anderen ausgesprochen ärmliche:

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Auch Wohnhäuser für Menschen waren teilweise in erschreckendem Zustand. Ich kannte es ja, aber momentan haben die Tschechen in ihren nicht ganz vergessenen Gebieten die Nasen vorn (wobei Schlesien zugegeben das Armenhaus Polens ist). Dafür sind die Menschen in Polen eben ausgesprochen nett, was ich in der fürchterlichen Stadt Kamienna Gora beim Fragen wieder merkte.

Und was ich noch merkte: Ich hatte meine Trinkflasche am Buffet stehen lassen. Peter gab mir eine von sich. Allerdings schmeckte das Wasser darin so nach Plastik, das ich nicht mehr als zwei Schlucke daraus aushielt. Ich rutschte in eine leichte Dehydrierung, vermute ich. Das Wetter wurde trüb und kühl.

Das Beste zum Schluss

Der nicht starke, aber konstante Gegenwind zehrte zusätzlich. Ich musste Tempo herausnehmen. Es ging in einem sehr langen, aber zum Glück flachen Anstieg (bis maximal 6-7%) auf den Kowary-Pass hoch, wo Peter und ich Ende Mai 2002 in glühender Hitze vorbei auf dem Weg nach viel weiter oben kamen. Ein Glück, dass kein Tscheche diese Straße erbaute. Sonst hätten die Serpentinen gefehlt, und es wären 12% oder mehr gewesen - wenn noch steiler, dann gleich ohne das obligatorische 12%-Schild, das bekanntlich an jedem Berg in Tschechien steht (und nichts über die Steigung aussagt, sondern über die Stammwürze des Biers in der Kneipe oben).

Eine lange, rauschende Abfahrt hinab nach Kowary, dann (schon wieder Pflaster!) um das Zentrum herum und Richtung Karpacz. Gleich da.

Denkste. Karpacz ist ein Kurort am Berg mit "unten" und "oben". Unten ist der Ortseingang, oben, da wohnten wir. Peter stand vor dem Ortseingangsschild und wartete auf mich: "Irgendwo muss hier das Ortseingangsschild kommen." Stimmt, Peter. Und irgendwann kommt der Sauerstoff auch wieder aus den Beinen ins Gehirn :-) Ehrlich: Man hat genug zu tun mit Treten. Versucht mal an einem 10%er nur das kleine Einmaleins aufzusagen, dann merkt Ihr es.

Im Ort Souvenirgewimmel, steil, Leute, Verkehr, noch steiler, lang. Peter war weg und wählte die steilste Variante zum Quartier (obwohl ich ihm vorher auf der Karte die Anfahrt zeigte, aber wir wissen ja, der Sauerstoff), ich wählte die "korrekte", die mir aber zu steil war. Ich brauchte Traubenzucker, den gibt es nur in Notsituationen. Locker 200 Höhenmeter extra waren das zum Abschluss. Ich entsinne mich, unser Leiter Peter Scheunemann hatte davor gewarnt.

Jedenfalls kam auch ich an (Peter war natürlich längst da), und wir wohnten ... wer oben aufmerksam gelesen hat, weiß es jetzt ... im dritten Stock. Ohne Kenntnis der Vorgeschichte hätte ich bei meiner Atemnot auf Herzmuskelentzündung getippt. OK, ich geb's zu, ich versuche immer zwei Stufen auf einmal, ich habe insgesamt 45 Jahre in einem dritten Stock gelebt.

Auch hier alles vom Feinsten. Für jeden eine Flasche Mineralwasser mit Glas zur Begrüßung. Mary entdeckte oberleckere Eierkuchen mit einer Sorte Quark-Frischkäse, die es bei uns so nicht gibt ("bialy ser" in Polnisch) mit Fruchtsoße und Schlagsahne. Weder Peter noch ich brachten es fertig, ihrem Beispiel nicht zu folgen. Ich war nudelsatt und konnte nicht aufessen. "Du lässt nach, Zwinki!" mahnte Peter. Recht hat er. Was war ich früher für ein Fresssack. Aber dass man mich wie ein Schwein füttern könnte - laut Peter - stimmt nun doch nicht: Ich esse nur, was mir schmeckt.

Trotzdem schaffte ich noch das Abendbrot und ein Bier, das mir einer spendierte, weil ich ihm irgendwann mal eine Mail schickte. Hilfsbereitschaft zahlt sich eben aus.

Wermutstropfen: Zum ersten Mal bei einer Scheunemann-Tour erlebte ich einen ernsten Unfall, das heißt, ich war bei der gleichen Tour dabei. Schlüsselbeinbruch. Standardsituation: Zu nah in der Gruppe aufgefahren, so dass sich Vorder- und Hinterrad überlappten. Dann kam Gegenverkehr, der Vordermann wich aus und räumte den Hintermann ab, dessen Hintermann landete sogar noch im Straßengraben. Rad fahren ist eben gefährlich, man muss pausenlos aufpassen ... ist ja nicht neu. Der Verunfallte wurde vom ADAC am nächsten Tag abgeholt und meinte locker, für ihn wäre es etwas Neues: Das linke Schlüsselbein hätte er zwar schon zweimal gebrochen, aber das rechte war bisher noch nicht dran.

Übrigens alles Rentner.

Einer fehlte noch:

(Foto)

Peter Feige war wieder die große Runde gefahren. Nach 12 Stunden kam er an.

Abends noch Urkundenverleihung, Besprechung und fröhliches Beisammensein. Für den nächsten Tag war ein Hammer angekündigt: Wer wollte, konnte von Norden auf den Spindlerpass fahren. Ich wusste von unseren Cielabs , oder besser www.elbspitze.de , was das für ein Berg ist: Nach der Schranke einen Kilometer gleich 15-25% am Stück, zwischendrin wohl nochmals länger 27%, der letzte Kilometer mit 190 Höhenmeter - und hoch auf 1200m, wo wir doch oben Schneereste sahen. Eigentlich nicht zu verantworten, aber Teilnahme freiwillig. Peter Scheunemann war sogar die Strecke heute im Auto abgefahren und hatte stellenweise das Gefühl, dass so ein Auto mal nach hinten kippen könnte ... Immerhin, er hatte es sich angesehen. Die Glatteisgefahr blieb.

Mein Tria-Peter hingegen praktizierte gleich nach dem Einschlafen eine Art akustischer Erstickungsanfälle, die wahrscheinlich als Schnarchen gemeint waren. Dafür beschwerte er sich am Morgen, dass ich so geschnarcht hätte. Wir waren quitt.

4.Etappe (16.5.): Karpacz (PL) - Görlitz

125 km, 1950 Höhenmeter, 21.8 km/h (5:40/6:30h), 3-10 Grad

Die Königsetappe bei 3 Grad und Nebel

Dass dies die Königsetappe werden würde, war klar. Die Normalroute führte ab Karpacz (Kirche Wang) nach Szklarska Poreba, hoch auf den Szklarska-Pass bei Jakuszyce (886m), hinab nach Harrachov, keinesfalls eben hinüber zum Buffet und dann nochmals hoch auf den Smedava-Pass (gleiche Höhe). Den Spindlerpass würde ich irgendwann schon gern einmal fahren, auch fühlte ich mich inzwischen gesünder, aber bei diesem Wetter - nee. Oben sah man Schneeflecken. Einmal kam ganz kurz die Schneekoppe heraus (1600m, ab 1400m Höhe nur noch Stein) - die schien weißlich zu sein. Ansonsten alles in dichten Wolken.

Karpacz ist wie gesagt steil:

(Foto)

Das ist vom Startort aus aufgenommen. Was ich nicht wusste: Dort hinten ganz hoch mussten wir zunächst hinauf. Gleich mal so 135 Höhenmeter zum Warmwerden. Es war aber eine gut angelegte Serpentine, nicht zu steil, sehr nicht-tschechisch. Wir fuhren an einem gigantischen Ferienheim im Bau vorbei:

(Foto)

Oben war nichts Besonderes, gleich Abfahrt - und die Kirche Wang wurde ausgelassen aus Zeitgründen. Schade, ich war vermutlich nur 1972 dort gewesen. Die Abfahrt war sehr löchrig, mir reichten 40 km/h locker - anderen nicht. Als Alpinist denke ich wohl immer etwas mehr an die Gefahren? Peter meinte jedenfalls auch: "Das habe ich mir nicht angetan, hier so wie andere herunterzurasen!"

Peter Scheunemann hatte noch eine Variante entdeckt, was natürlich hieß: Bis zu 13% bergan. Aber nicht so lang. Unten dann der Abzweig für die Spindlerpass-Masochisten, das waren doch einige. Es schien sogar stellenweise Sonne.

Wir anderen fuhren hinab nach Piechowice. Die Orientierung in Polen fiel mir bisher sogar leichter als in Tschechien. Das ist erstaunlich, denn ich glaube, in Tschechien gibt es mehr Schilder. Aber vielleicht sind die in Polen an besseren Stellen angebracht, und/oder das Straßennetz ist anders.

Als der 15 km lange Anstieg hoch nach Szklarska Poreba und weiter begann, zog ich mir erst einmal den Windstopper aus. Es war nicht steil (typisch 5% oder weniger), sehr gut zu fahren. Trotzdem zogen die anderen weg, Mary auch. Doch: Hinten hebt die Kuh den Schwanz ... und nach Szklarska würde es steiler werden, das wusste ich von der Abfahrt letztes Jahr.

Es ging ganz gut, und die Ausreißer kamen oberhalb von Szklarska einer nach dem anderen in Sicht (bis auf Peter natürlich, er ist erstens stärker und kann zweitens nicht langsam fahren, und drittens muss er schnell fahren, weil er wie immer ganz kurze Hosen an hat).

Oben auf dem Pass hatte ich dann bis auf zwei die Anderen überholt. Es war 3 Grad, aber wenigstens kein Wind und kein Regen, trotz dichter Wolken und Bergen im Nebel.

Die Abfahrt hinunter nach Harrasov konnte man auf bester Straße rollen lassen, da traute ich mich auch mal an die 60er Marke heran - ich bin da immer sehr vorsichtig.

Unten war sogar Mary zum Eisklumpen erstarrt, wo sie doch nie friert, wirklich nie. Nur Peter hatte seine kurzen Hosen ...

Noch eine Odyssee, aber diesmal richtig

Unterhalb des Ortes darf man sich auf großer, stark befahrener Straße wieder hoch quälen, gar nicht flach. Irgendwo musste der Abzweig nach Korenov kommen. Doch es gab nur ein braunes Schild zu einer Sehenswürdigkeit in Korenov, das konnte es noch nicht sein. Marys Kartenkopie war nur schwarz-weiß, unsere bunten Karten ließen uns rätseln. Wir beschlossen die Weiterfahrt. In Korenov an der Kirche sollte das Buffet stehen.

Korenov kam, aber weder Kirche noch Buffet, konnte auch gar nicht sein - es musste also oben noch ein Korenov geben? Ich wusste, die Gegend war schwierig, und verfluchte mich für die Faulheit, nicht die guten Karten mitgenommen zu haben.

Mir waren die anderen zu schnell, nur Mary war hinter mir. Irgendwo oben warteten Peter und sein Compagnion, der meinte, er kenne das vom Vorjahr (ich müsste es dann aber ebenso kennen!). Noch bevor ich heran war, fuhren sie sofort weiter (jaja, kurze Hosen ... die langen hatte er gar nicht mit, sagte er später). Rufen ging wie üblich nicht, dafür hört er leider zu schlecht. Das ist ein Problem, für das ich noch keine Lösung habe. Signalrakete?

Aber vor mir fuhr noch ein Hellgrüner, dem jagte ich nach. Fehler: Dadurch verlor mich Mary, und unten war der Hellgrüne auch weg. Ich stand in Desna, nun war ich zu weit. Und keine Karte, und die Kopie keinen müden Cent wert. Tolle Holzskulpturen wurden da gerade in einem Workshop gefertigt, mir war leider nicht nach Foto zumute. Volkfest, keine Durchfahrt ... einen Radfahrer gefragt: Ja, wieder hoch, so nach 2 km links ab zum Smedava-Pass. Verflixt, das hätte ich doch sehen müssen? Auf jeden Fall 200 Höhenmeter verloren.

Also wieder hoch, Frust. Kein Mensch da zum Fragen. Ein Haus mit offener Tür, keine Klingel ... gegenüber eine Karte, mal sehen, die ist gut ... in diesem Moment kommt ein Rennradler den Berg von einer unmarkierten Seitenstraße herunter und sagt: "Wenn Du Deine Truppenteile suchst, die sind dort oben ..." genaue Wegbeschreibung. Also, den schickte der Himmel. Diese Straße wäre ich nie hineingefahren, die sah wie eine Sackgasse aus.

Schön war sie, aber dennoch blieb die Angst, sie könnte plötzlich im Nichts enden. Oben rechts wie befohlen, und tatsächlich kam mir da jemand vom Buffet entgegen! Welche eine Überraschung! "Vielleicht noch ein Kilometer," meinte er. Naja, etwas mehr, bis 10% Steigung, nochmal 100 Höhenmeter. Inzwischen allerhand Entgegenkommende. Oh, hoffentlich bin ich nicht zu spät. Horni Polubni, kein Korenov ... eine Kirche ... also wenn hier nichts ist, dann fahre ich zurück und hoch zum Pass.

Nichts. Um die Kirche herum, nur zur Sicherheit ... und da steht der Hänger, Mary ist auch da! Sie kam von rechts, noch eine neue Variante. Es sollen erst etwa 30 Leute da gewesen sein, also ein Drittel. Von einer dritten Straße, der "richtigen", kamen inzwischen weitere Fahrer. Jeder meinte, dass man das nun wirklich nicht finden konnte. Sogar die Ortsangabe war falsch. Kritisch bei diesem kalten Wetter.

Mary und ich wollten zusammen bleiben, das durfte nicht wieder passieren. Tria-Peter war verschollen.

Endspurt

Nun ging es erst einmal die 100 Höhenmeter wieder steil und holprig hinab, dann in engen Schlingen bergan, anstrengend. Wir kamen am Sous-Stausee vorbei:

(Foto)

Das Bild beschreibt am besten die Stimmung von Wetter und Gemüt. Sogar Schaumkronen zeigten sich auf den Wellen. Gegen den Wind in immer dichterem Nebel ging es langsam bergan. Eigentlich flach, aber durch den Wind sehr mühsam. Das Gepäckauto mit Frank überholte uns. Weiter vorn wartete er auf uns und teilte uns mit, dass er gerade Tria-Peter & Co. verpflegt habe, die von "irgendwo ganz unten" gekommen seien, vielleicht Tanvald. Ob sie dort waren, wusste Peter natürlich nicht ... das alte Problem mit dem Ortseingangsschild ;-)))) Aber Peter meinte: "Das war wie ein Fünfer im Lotto!" Ja, an diesem Tag brauchte jeder einfach Glück.

Der Nebel wurde immer dichter, die Sicht sank auf unter 100m, es nieselte, und es war wieder 3 Grad kalt. Die Smedava-Baude tauchte erst im letzten Moment aus der dicken Suppe auf. Unheimlich das Ganze, doch es prägt sich ein. In der nassen Abfahrt ohne markierte Kurven waren wir vorsichtig. 10 km lang ging es bergab nach Hejnice und dann holprig (Orte wie Straßen sind nördlich des Isergebirges mies) immer weiter bis Frydlant. Dort trafen wir Peter und weitere, die meinten, wir müssten nach links. War natürlich falsch :-))) ... aber nicht schlimm. Wir hätten vielleicht viel eher nach rechts gekonnt, doch bei dieser Karte war das nicht drin. Auf der stand als Grenzort das polnische Zawidow, während auf allen Schildern nur Habartice angegeben wird - das hatte die Kartenzeichner einfach vergessen.

Die Weiterfahrt ging immer schön geradeaus bergauf, bergab gegen den Wind bei wolkigem und kaltem Wetter. Mit dem geplanten Sammeln in Zawidow wurde natürlich nichts, dort war auch keine Gelegenheit, und gefroren hatten wir diese Tage genug. Endlich waren auch die letzten 30km bis Zgorzelec geschafft, wir fanden den Grenzübergang und danach sogar die Jugendherberge ohne Probleme.

Dort trudelten die meisten erstaunlich schnell hintereinander ein. Wir kamen noch zum Verabschieden, ganz anders als mein trauriges Ende letztes Jahr. Nur war mir diesmal kalt, wirklich kalt. Ich setzte mich schon in das Auto von Mary und Frank. Bei unfair sonnigem, aber kühlem und sehr windigem Wetter kamen wir in Dresden an.

Nachbetrachtung

Also, diesmal lief es doch ganz gut, zum ersten Mal ohne große Pannen, nur die Karten und teilweise sogar komplett fehlende Beschreibungen waren eine Katastrophe. Ich habe mir vorhin gerade noch einmal die Gegend um Desna und Korenov auf der tschechischen Touristenkarte angesehen und bin entsetzt über die grobe Darstellung auf unserer Kopie. Wenigstens eine Liste von Ortsnamen wäre doch drin gewesen. Besserung ist gelobt. Wir werden sehen.

Die Spindlerpass-Fahrer rettete das trübe Wetter. Sonst wäre Glatteis gewesen. Zwei Tage vorher fuhren unsere Cielabs zufällig dort auch hoch und musste sich noch schneefreie Spuren suchen!

Ansonsten wie immer ein großes Abenteuer, die kälteste Fahrt bisher, doch es gilt bekanntlich:

Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter,
was uns nicht härter macht, bringt uns nur um.

Nur Peter Feige ist am letzten Tag nicht die große Runde gefahren.

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