Aktuelle News zum Nationalpark

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Strategische Waldbrandkonzeption des Innenministeriums

Update 28.3.: Fußnote zum Totholz auf S.11

Am 24.3. hat das SMI (Innenministerium) auf

https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1064418

eine "strategische Waldbrandkonzeption" vorgestellt, die ohne Frage auf den Erkenntnissen der Expertenkommission (vgl. Passwort-News vom 18.3.23) basiert und hier heruntergeladen werden kann:

https://www.medienservice.sachsen.de/medien/medienobjekte/586026/download

Das sind allerdings 192 Seiten, die erst einmal gelesen werden wollen, und natürlich interessieren uns Verwaltungsinterna weniger (obwohl wichtig, und gut, dass man z.B. auf Kommunikation der einzelnen Bereiche achtet - allein bei 22000 FFW-Einheiten in Deutschland kein Pappenstiel). Aber man sieht auf Anhieb, dass das eine ganz, ganz andere Welt ist als das unselige "Müller-Gutachten". So heißt es im Konzept gleich auf S.4

Infolge Borkenkäferkalamität besteht ein sehr hoher Totholzanteil in den Wäldern. Daraus folgt: Es ist eine große Menge brennbarer und leicht entzündlicher Biomasse in den Wäldern Sachsens. Hinzu kommt eine anhaltende außergewöhnliche Dürre der letzten Jahre.

Gerade in Sachen Totholz gab es in letzter Zeit viele irreführende und sogar falsch verallgemeinerte Informationen ("Totholz ist feucht und verhindert Waldbrände"). Da ist die Fußnote auf S.11 doch Musik in den Ohren der Kritiker solchen Unfugs:

Der Begriff Totholz unterliegt keiner exakten Definition. Liegendes Totholz umfasst Holzreste, darunter Feinmaterial wie z. B. Reisig oder dünne Äste, aber auch stärker dimensioniertes Holz in Form von z. B. Wurzeln oder ganzer Stämme. Vertikal stehendes Totholz kann in Form ganzer Stämme in Erscheinung treten. Totholz kann einen wesentlichen Beitrag zur Brandintensität leisten und muss daher in jeglicher Gefahrenbetrachtung (z. B. in Regionalen Waldbrandplänen oder Besonderen Alarm- und Einsatzplänen) zwingende Berücksichtigung finden.

Entscheidend auch der Hinweis auf S.5:

Die Betrachtung von Waldbrandgefahrenklassen allein ist nicht zielführend. Betrachtet werden müssen auch topografische Verhältnisse, klimatische Veränderungen, Brandverhalten in Gebirgslagen und die Wirkweisen der Einsatzmittel der Feuerwehr.

Der Nationalpark Sächsische Schweiz bedarf einer gesonderten Betrachtung infolge spezieller Gefahrenmomente durch den Tourismus.

S.18:

Für das Gebiet des Nationalparks Sächsische Schweiz ist die Verwendung eines vollautomatisch wirkenden Waldbrandfrüherkennungssystems bzw. eines optischen Sensorsystems eindeutig empfohlen.

S.47:

Zudem ist die populäre Annahme, dass sich Brände in Wald- und Vegetationsgebieten vornehmlich im Frühjahr und den heißen Sommermonaten ergeben, aus Sicht der Feuerwehr nicht mehr als allgemein gültig anzusehen.

S.52:

Feuerwehrtechnische und -taktische Problemstellungen wurden - sich wiederholend - bei einem Waldbrand im Nationalpark Sächsische Schweiz im August 2018 deutlich, als ein Wald- und Vegetationsgebiet nahe dem Basteifelsen im Umfang von ca. 15.000 m² verbrannte ... Die Löscharbeiten wurden aufgrund schwieriger Zugangs- und Zufahrtsmöglichkeiten als Folge der besonderen Topografie und Gesteinsformationen stark erschwert. Neben fernmeldetechnischen Problemen mussten die Einsatzkräfte, die nicht über besondere oder zweckmäßige persönliche Schutzausrüstung verfügen, zeitlich und technisch aufwendig gegen Absturz gesichert werden. Zudem konnte die unerschöpfliche Löschwasserentnahmestelle „Elbe“ infolge des Höhenunterschiedes von ca. 194 Metern erst genutzt werden, nachdem eine Löschwasserförderung über lange Schlauchstrecken aufgebaut wurde und hierzu schweres Material und Einsatzmittel zu Fuß über weite Wege transportiert werden musste, da eine Zuwegung nicht gegeben war. Im Weiteren musste z. B. Löschwasser, teilweise in Kanister umgefüllt, von den Einsatzkräften über Felsvorsprünge und zerklüftete Steilhänge mittels Rückentragegestellen ... zur Einsatzstelle getragen werden.

Ende Juli bzw. im August 2022 zeigten sich die gegebenen technischen und taktischen Schwierigkeiten erneut bei einem Brandereignis im Nationalpark Sächsische Schweiz, welches sowohl auf Seiten der Tschechischen Republik als auch auf Sächsischer Seite letztlich nur mit einem Großaufgebot an Personal und Einsatzmitteln bekämpft werden konnte ...

Sehr, sehr positiv ist, dass man endlich von der formalen Waldbrandgefahrenklasse Abstand nimmt, die hier überhaupt nicht passt. So ist der Nationalpark nur in der niedrigsten Klasse C eingestuft, und deswegen hätte es auch keine Fördermittel für Feuerkameras gegeben (nebst Personalkosten). Und der Sachsenforst soll den Hut aufbekommen in Sachen Waldbrandfrüherkennung, oder zumindest ein zentrales Gremium.

Ich selbst bin natürlich noch beim Lesen, diese Meldung wird später vielleicht mal mit mehr Inhalt an die Spitze rücken. Aber die vielen Fans der Community können sich schon mal darauf stürzen :-)

Älterer Artikel zum Brandgebiet in Tschechien - angeblich 45mal mehr Blei in der Asche als zulässig im Prebischgrund

Schon am 2.9.22 erschien ein Artikel zum Waldbrand im böhmischen Nationalpark im "LandesEcho - Das Magazin der Deutschen in der Tschechischen Republik":

https://landesecho.cz/unterwegs/boehmische-schweiz-100-millionen-kronen-fuer-den-wiederaufbau/002282/

Das Bild dort kam mir sofort bekannt vor, es ist der gleiche Grund wie auf diesem Bild hier:

Totalbrand im Prebischgrund

Und den Ort konnte ein Insider nun auch bestimmen - etwa hier, nämlich im Prebischgrund. Das ist also das Tal, in dem von liegenden Bäumen nur noch Aschestreifen übrig blieben.

Die Hauptsache an dem Artikel sollt aber etwas Anderes zu sein. Der Wald hat über Jahrzehnte fleißig Schadstoffe gesammelt, sicher vor allem vom Chemiegebiet in Usti, das für seinen Dreck berüchtigt war. Und nun stellt sich heraus, dass dort bis zu 900µg/kg Blei in der Asche gemessen wurden, was nicht nur eine "ziemlich hohe Kontamination" darstellt (wie es im Artikel heißt), sondern den zulässigen Maximalwert von 20µg/kg um den Faktor 45 überschreitet.

Edit: Diese Angaben sind fragwürdig, wir recherchieren noch. Offenbar wurde sogar µg mit mg verwechselt. Sobald Näheres bekannt ist, erscheint es an dieser Stelle als Update.

Durchaus möglich, dass es noch andere, interessante Analysen folgen. Keine Ahnung, ob man dort noch Pilze essen sollte (sammeln ginge ja noch), sofern dort mal wieder welche wachsen. Das dauert noch etwas.

Tschechisches Gegenstück zum mdr-Film über den Waldbrand: Kampf um Hrensko

Das tschechische Fernsehen hat eine gut 90minütige Dokumentation über den Waldbrand im böhmischen Nationalpark gesendet:

https://ct24.ceskatelevize.cz/regiony/3536451-od-uhaseni-pozaru-v-ceskem-svycarsku-uplynuly-dva-mesice-udalosti-priblizuje

Ab ca. Minute 7 geht ein reichlich 20minütiger Film los, der sich lohnt.

1.UPDATE: Nun ist der Film auch auf Youtube zu sehen, und zwar hier:

https://www.youtube.com/watch?v=oW5zO94PA5w

Von dort kann man ihn auch herunterladen (ca. 350MB).

2.UPDATE: Ein Screenshot vom Vollfeuer im Ausgangspunkt Malinovy Dul (Himbeergründel) etwa bei Minute 2:30 --

Vollfeuer Malinovy Dul

Dies allen hinter die Ohren, wie es aussieht, wenn man sich zurückziehen muss.

Der mdr-Film war gut, aber der hier kann auf ungleich mehr Material zugreifen (wobei die meisten Filmaufnahmen beim mdr auch aus tschechischen Quellen stammen).

Natürlich ist dieser Film in Tschechisch, doch schon die Bilder allein sind ungemein beeindruckend und interessant. Insider werden vieles schon kennen, aber es ist auch eine Masse Neues dabei: Bilder vom Kampf um Mezna (den sie aufgeben mussten), und auch eine kurze Luftaufnahme eines zerstörten Hauses inmitten unverbrannter anderer. Soviel zum Argument "ich wohne ja nicht am Waldrand". Auch der Feuerwehrkommandant von Hrensko, Jan Kosik, kommt zu Wort - das ist der, der so ungeheuer wütend auf den Nationalpark ist. Wer den Film sieht, versteht, warum.

3.UPDATE: Ein Tschechischkenner übersetzte mir aus dem Film, dass die Feuerwehrleute teilweise 24h am Stück im Einsatz waren und manchmal kaum noch Luft bekamen. Sie zogen sich zwischendurch von Mezna zurück, weil nicht klar war, ob liegen gebliebene Fahrzeuge den Rückweg blockiert hatten. Vor allem machte ihnen der Wassermangel zu schaffen.

Der Film gibt eine ungefähre Vorstellung davon, woran wir hier vorbeigeschrammt sind und warum ich mich so hektisch gebärde: Nach dem Brand ist vor dem Brand. Und ich weiß nicht - bei uns könnte es schlimmer kommen. Denn in Tschechien ist die Feuerwehr zentral organisiert (https://de.wikipedia.org/wiki/Feuerwehr_in_Tschechien) und in Strukturen eingebunden: "Der Feuerwehr-Rettungskorps ist wichtigster Bestandteil des integrierten Rettungssystems"

In Deutschland (https://de.wikipedia.org/wiki/Feuerwehr_in_Deutschland) gibt es reichlich 22.000 Einheiten freiwilliger Feuerwehren in 16 Bundesländern mit verschiedensten Strukturen und Zuständigkeiten und 110 Berufsfeuerwehren (nebst anderen, nicht viel größeren).

Im Falle einer Katastrophe, wo es um Reaktion binnen Stunden geht, habe ich so meine Zweifel, ob man hier ausreichend schnell reagieren könnte. Und die Ausstattung der tschechischen Feuerwehren, die ich im Film sah, ist teils beeindruckend. Können wir da mithalten bei Drohnen, schweren Tanklöschfahrzeugen, großen Pumpen? Die haben eigene Quads, kleine und geländegängige Löschfahrzeuge und sogar zwei eigene Doppeldecker für den Ersteinsatz.

Der Film ist natürlich eine Zumutung für die Psyche, und nur Tschechischkenner werden viel verstehen. Aber er ist ungemein interessant. Vor allem Feuerwehrleuten sei er empfohlen.

Am Ende des TV-Beitrags (nicht des Films selbst auf Youtube) kommt Tomas Salik, der Sprecher des böhmischen Nationalparks, zu Wort. Ich habe fast nichts verstanden (zumal der "Empfang" hier äußerst rucklig war - Server hing offenbar, so wie beim ZDF), aber er sah nicht glücklich aus.

Interview mit dem Feuerwehrchef von Hrensko

Das folgende Interview des tschechischen "Security Magazins" ist zwar relativ alt (wurde offenbar kurz nach dem Brand aufgezeichnet), und viele der Leser kennen es aus einer früheren Rundmail. Aber ich finde es so bemerkenswert, dass ich es an dieser Stelle "verewigen" möchte. Jeder, der hier über "Totholz brennt ist ja auch nur eine Meinung" sinnieren möchte, sollte an dieses Interview denken. Es geht um Menschenleben, nicht wenige, und sehr viel Hab und Gut - die anderen Schäden (Natur, Tourismus, Infrastruktur) noch gar nicht erwähnt.

Das Interview findet sich hier:

https://www.securitymagazin.cz/security/velitel-sdh-hrensko-o-katastrofalnim-pozaru-ceskeho-svycarska-nesjizdne-cesty-a-chybejici-bezpecnostni-pasy-kolem-obydli-1404069276.html?fbclid=IwAR1hYpHKyjQwCHZnonrdiE-tYYgkQm1pelm6mdCpX9ehBc7dsGlSKLLLLPg

Die Übersetzung erfolgte mit Google Translate oder DeepL und wurde leicht nachgebessert.

Security Magazin präsentiert ein Interview mit Jan Košík, Kommandant der SDH Hřensko, zum Thema Erfahrungen aus dem jüngsten Großbrand im Nationalpark České Švýcarsko. Uns interessierte, wie die Feuerwehrleute die Bedingungen einschätzen, unter denen sie sich dem Brand stellen mussten, mit welchen Problemen sie zu kämpfen hatten und was für die Zukunft besser gemacht werden sollte, insbesondere in Sachen Prävention. Jan Košík spricht von lebensbedrohlichen Situationen und sieht als größtes Problem die Unpassierbarkeit der Hauptwege und vor allem das Fehlen von Sicherheitszonen um menschliche Behausungen und Dörfer.

In den Medien tauchten Informationen darüber auf, dass die Straßen, auf denen Feuerwehrfahrzeuge fahren konnten, mit Käferholz bedeckt waren. Können Sie das bestätigen?

Das stimmt natürlich, das kann ich zu 100% bestätigen, denn die Hauptwege, die wir irgendwie befahrbar haben wollten, waren gar nicht befahrbar. Die Zeit, bis wir vom Berg, wo wir operieren mussten, zum Ort des Geschehens kamen, war unglaublich lang. Es war sehr kompliziert. Unsere Jungs mit den Sägen dort sahen eher aus wie Bergleute. Es ging nicht darum, ein paar Bäume zu fällen. Es war wirklich, um es milde auszudrücken, ein Durcheinander, das nicht in zehn Minuten zu bewältigen war.

Haben Sie oder jemand aus der Gemeinde Hřensko in der Vergangenheit für einen besseren Zugang zu den Waldwegen geworben?

Ich habe mehrmals persönlich an örtliche Naturschützer appelliert, die ich bei früheren Bränden getroffen habe. Obwohl sie natürlich viel kleiner waren. Ich habe mehrmals darauf aufmerksam gemacht (obwohl ich es nicht schriftlich habe), aber ich wurde darauf hingewiesen, dass die Natur für sich selbst sorgen wird. Und als ich anfing zu beschreiben, was passieren könnte, wurde mir gesagt, dass ich zu viele amerikanische Filme schaue. Kollegen aus Krásná Lípa haben dazu auch schriftliche Unterlagen.

Zu Beginn des Feuers berichtete das Tschechische Fernsehen, dass der NP das Feuer brennen lassen und den Umkreis bewachen wollte. Haben Sie auch solche Informationen?

Was die vorherigen Brände betrifft, habe ich diese Informationen. Das kann ich bestätigen. Nicht bei diesem Feuer, denn ich war genau im Zentrum des Feuers, wo wir versuchten, das Feuer zu umzingeln und einzudämmen, damit es sich nicht weiter ausbreiten konnte. Leider breitete sich das Feuer, wie Kollegen bereits sagten, sprunghaft aus, d.h. dass brennende Partikel durch die Luft getragen wurden und es etwa zweihundert Meter von unserem Einsatzort entfernt zu brennen begann. Außerdem war das Gelände unwegsam und schlecht einsehbar, sodass wir erst nach einer halben Stunde feststellten, dass die 200 m hinter uns Feuer fingen. Das war fatal. Wenn wir keine Drohne oder keinen Helikopter haben, die uns davor warnen, ist es unmöglich, es vom Boden aus zu sehen.

Ist es das NP-Standardverfahren zur Brandbekämpfung, dh das Feuer brennen lassen und den Umkreis patrouillieren?

Wir wurden mehrmals von der NP-Verwaltung oder Naturschützern dazu aufgefordert, mit dem Argument, dass die Natur nichts dagegen habe. Allerdings sind wir gemäß unserer Vorgehensweise als Feuerwehrleute ganz normal vorgegangen, ohne deren Ratschläge zu berücksichtigen.

In einem Interview für DVTV erklärte General Vlček, dass dieser Schritt aufgrund des angesammelten brennbaren Materials und der vorherrschenden Trockenheit in keinem Verhältnis gestanden habe. Stimmen Sie ihm zu?

Unbedingt. Was uns Naturschützer und Menschen aus dem Nationalpark erzählt haben, dass umgefallenes Käferholz nicht brennt, ist völliger Unsinn. Das widerspricht dem gesunden Menschenverstand. Dort verwandelte sich das Feuer in ein Kronenfeuer, wo wir absolut hilflos waren. Außerdem stürzten neben uns Bäume um. Es war wirklich lebensgefährlich, und als Feuerwehrleute zogen wir uns ständig zurück, gerade weil wir keine Verteidigungslinie aufbauen konnten. Denn es gibt keine Sicherheitszonen. Rund um die Dörfer hinter jedem Zaun dazwischen steht trockenes Käferholz. Was aus brandschutztechnischer Sicht völlig undenkbar ist. Aber es war ihnen völlig egal.

Haben Ihnen die NP-Mitarbeiter den Ablauf der Feuerwehrarbeit in irgendeiner Weise erschwert?

Den Fortschritt der Löscharbeiten nicht. Aber in Bezug auf die Prävention waren sie kontaktlos und handelten in dem Sinne, dass sie ein großes Problem damit hatten, wenn wir einige Straßen abkürzen oder Übungsfahrten machen wollten. Als Kommandant der SDH Hřensko habe ich junge Leute unter mir, die sich Ortskenntnisse aneignen müssen. Ich muss mit ihnen durch unser Territorium reisen. Und in dem Moment, in dem ich sage, dass wir dorthin gehen, muss ich gestehen, warum ich dorthin gehe, was ich dort tun werde und ob wir dort überhaupt erlaubt sind. Das ist für mich als Kommandant undenkbar. Wir sind eine Freiwilligeneinheit. Es kann vorkommen, dass ich nicht hier sein werde, keiner meiner erfahrenen Kollegen wird hier sein, es werden die jungen Leute sein, die sich glücklicherweise für die Sache begeistern, aber nicht über solche Ortskenntnisse verfügen, und wir müssen sie hierher führen. Und ich habe schriftliche Unterlagen, dass ich einen Monat vorher Bescheid geben muss, wann und wohin ich im Nationalpark ziehe.

...

Hätten Sie also Empfehlungen, wie man sich in diesem Bereich in Zukunft verbessern könnte? Aus technischer Sicht, aus Sicht der Interventionstaktik und aus Sicht der Prävention?

Vorbeugen ist ganz einfach. Sicherheitszonen um menschliche Behausungen herum sind eine absolut klare Forderung. Dort hätte es längst fertig sein sollen. Bedenken Sie, dass 1.100 Hektar des Nationalparks abgebrannt sind und etwa 7.000 weitere noch stehen. Ob Kyjovské údolí, Doubice, Jetřichovice, wohin man schaut, um all diese Dörfer herum steht noch Käferwald. Es ist unmöglich, dass es so lange noch bleibt, ohne dass etwas dagegen unternommen wird. Hier bekamen wir einen klaren Hinweis darauf, was passieren könnte.

Es ist traurig, aber Gott sei Dank sind „nur“ drei Häuser in Anführungszeichen abgebrannt. Ich weiß, es ist verheerend für die Menschen, denen sie verbrannten. Es tut uns schrecklich leid, aber es war wirklich nichts mehr zu tun. Doch Mezna hätte komplett brennen können. Dort hätte leicht etwas Schreckliches passieren können. In diese Richtung sollte unbedingt gehandelt werden. Unmittelbar nach dem Brand das Käferholz rund um die menschlichen Behausungen abbauen und dort Sicherheitszonen einrichten. Dass es No-Hit-Zonen gibt, ist in Ordnung. Aber lassen Sie es Sicherheitskreuzungen zwischen ihnen geben, damit wir als Feuerwehrleute dort eine Verteidigungslinie aufbauen und das Feuer an einem Ort halten können, wenn es brennt.

Es ist unglaublich, dass wir irgendetwas in einem solchen, verzeihen Sie den Ausdruck, Saustall gemacht haben. Erstens ist es für uns als Feuerwehrleute lebensbedrohlich. Zweitens ist es technisch unmöglich.

Drohender Felssturz nach Waldbrand in Hrensko

Der Stiegenfreund Roland machte auf eine wichtige Meldung des böhmischen Nationalparks aufmerksam:

https://www.npcs.cz/nestabilni-skalni-bloky-ohrozuji-silnici-ve-hrensku-sprava-narodniho-parku-iniciuje-reseni-situace

In Hrensko, gleich nach dem Abzweig der Klamm, drohen vier instabile Felsblöcke von insgesamt etwa 75m³ (das entspricht ca. 200t) auf die Straße zu stürzen, und zwar von hier. Das kommt in dieser Gegend zwar nicht zum ersten Mal vor - die 3km Schutzzäune über den Häusern sprechen für sich, und erst kürzlich wurde ein 2t schwerer Block von den Zäunen aufgefangen -, aber diesmal ist es eine andere Dimension und eine andere Ursache: Im Text heißt es

"Der felsige Abhang, an dem sich die bedrohten Blöcke befinden, wurde letztes Jahr von einem Feuer heimgesucht. Er wurde im Oktober von Geologen inspiziert, und es wurde keine unmittelbare Bedrohung festgestellt. Seitdem ist die Erosion des Hanges deutlich fortgeschritten. Leider kommt es in den vom Brand betroffenen Gebieten immer häufiger zu Situationen, in denen Felsblöcke plötzlich einzustürzen drohen", sagt Petr Kříž, Direktor der Verwaltung des Nationalparks Böhmische Schweiz.

Eine Vorstellung von der Gefahr geben zwei (skalierte) Bilder von dieser Seite:

Auf Abpfiff
zerbröckelt

Die Originale finden sich auf
https://www.npcs.cz/sites/default/files/inline-images/OBJ_3_Havarie_Hrensko_%282%29.jpg
und
https://www.npcs.cz/sites/default/files/inline-images/OBJ_4_Havarie_Hrensko_%285%29.jpg.

Entdeckt wurden die losen Blöcke bei Fällungen brandgeschädigter Bäume. Sonst hätte man die Gefahr vielleicht gar nicht erkannt.

Petr Kříž sagt weiter:

Die Hänge sind durch das Feuer abgetragen worden, und die Erosionsprozesse schreiten nun schneller voran. Wir überwachen zunehmend die Gefahren für Straßen, Wege und Häuser, damit sie so schnell wie möglich beseitigt werden können. Die Sicherheit von Menschen und Eigentum hat absolute Priorität.

Nach vorläufigen Schätzungen werden sich die Kosten für die Sanierung auf über 1 Mio. Kronen belaufen.

"Die Parkverwaltung ist bereit, die Sanierung der Felsblöcke professionell vorzubereiten und gegebenenfalls eine Vorfinanzierung dafür zu leisten. Rechtlich ist die Frage, wer die Sanierung durchführen und bezahlen soll, nicht eindeutig geklärt. Sollte es diesbezüglich Widersprüche geben, werden wir die gerechte Aufteilung der Kosten später mit den einzelnen Akteuren besprechen", ergänzt Petr Kříž.

Update1: Die Straße ist seit 3.3.23 auch für Fußgänger gesperrt; man hofft, dass es nur drei Wochen dauert. Zum Prebischtor kommt man nur über den riesigen Umweg Jetrichovice - Vysoka Lipa - Mezni Louka und ab dort zu Fuß die Straße hinab oder den verbrannten Mühlsteig ab Mezna.

Update2: Die Straße ist ab 24.3.23 erst einmal wieder befahrbar, der größte Block soll provisorisch gesichtert worden sein.

Feuerexperten schreiben oft: Die eigentlichen Probleme gehen erst nach dem Brand los. Ich erwartete Erosion an den total ausgebrannten Hängen z.B. im Gabrielen- oder Prebischgrund (in kleinem Maße hat sie bereits eingesetzt), aber lose, große Blöcke können zur Sperrung ganzer Regionen führen.

Bei uns sind zwar "nur" die toten Fichten die Hauptgefahr, doch wir sollten vielleicht daran denken, was nach so einem Brand wie in Böhmen bei uns passieren würde.

Ich bin seit gut 35 Jahren im Naturschutz aktiv, doch angesichts solcher Aussichten und dem großen Fragezeichen, wie die Brandgefahr bei uns auf ein vernünftiges Maß reduziert werden soll, bekomme ich Bauchschmerzen. Wie sagte doch Innenminister Armin Schuster im MDR-Interview im Januar:

Dass wir vielleicht leicht andere Wege gehen müssen, als sich das die Erfinder von Nationalparken vorgestellt haben ...

(zitiert bei Rolf Böhm).

Korrektur: 200t statt 300t

Waldbrandstatistik Sachsen 2022

Wie die "Dresdner Neuesten Nachrichten" vom 1.3.23 schreiben, wurden in Sachsen 215 Waldbrände im Jahr 2022 gemeldet. Im nässeren Vorjahr 2021 waren es nur 33. Ähnlich viele Brände wie letztes Jahr hatte es bisher nur im Extremtrocken-Jahr 2018 gegeben: über 200.

Die meisten Brände letztes Jahr registrierte man zwischen Mai bis August (obwohl die Waldbrandsaison auch schon im zeitigen Frühjahr beginnen kann): 177 Brände entfielen auf diesen Zeitraum.

Insgesamt brannten etwa 780 Hektar (das sind ungefähr 40.000 Einzelspiel-Tennisplätze). Drei der Brände hatten eine natürliche Ursache (Blitze), 154 wurden fahrlässig oder vorsätzlich entfacht. Bei 58 Bränden ist die Ursache unklar.

Pressemitteilung der Bürgerinitiative Naturpark Sächsische Schweiz und "Festungsnaturschutz"

Die Bürgerinitiative Naturpark Sächsische Schweiz aus Hohnstein, die eine Umwandlung des Nationalparks in einen Naturpark fordert und damit inzwischen recht bekannt geworden ist, hat eine interessante Pressemitteilung herausgegeben:

https://www.naturpark-saechsische-schweiz.de/17_02_2023.html

Dort setzt sie sich mit fragwürdigen Aspekten der Stellungname von Prof.Müller zum Waldbrand auseinander (vgl. diese News vom 9.2.23), u.a.

Des weiteren - was wirklich wichtig ist - weisen sie auf die geplante Novellierung der Nationalparkverordnung hin und fragen nach der Wirksamkeit eventuell geplanter Maßnahmen.

Sie laden den Umweltminister zu einem Gespräch ein und warten noch auf Antwort.

Ich möchte an dieser Stelle noch eine andere interessante Mitteilung einfließen lassen, und zwar aus

https://www.mdr.de/wissen/cop-artenschutz-biodiversitaet-naturschuetzer-verbote-100.html

vom 15.12.22:

Es gibt im Naturschutz eine Tradition des sogenannten Festungsnaturschutzes, wo man die Menschen aus den Gebieten wirklich entfernt. Und da gibt’s auch ganz schlechte Beispiele aus der Geschichte des Naturschutzes, der Nationalparks, aber in der Zwischenzeit sind wir da viel weiter und solche Gebiete werden in der Art nicht mehr angelegt. Sondern das geht immer mit den Menschen und vor allen Dingen mit indigenen Menschen, die in den Gebieten zum Teil schon Jahrtausende leben, die oft einen nachhaltigen Umgang mit der Natur haben und die dann auch das Recht haben müssen, in diesen Regionen weiter leben zu können.

...

Und der Naturschutz hat dem ein ähnlich starkes Bild entgegengesetzt, dass Naturschutzgebiete, das Nationalparks quasi heilige Räume sind, in denen man esoterische oder spirituelle Naturerfahrungen machen kann und wo das dann nur gelingt, wenn man keinen Menschen sieht oder hört. Wir brauchen da einen dritten Weg, der dazwischenliegt. Nämlich ein Miteinander von Mensch und Natur. Solche Wildnisgebiete kann man auch nur schützen, wenn Menschen diese Erfahrungen machen können.

Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Frankfurter Senckenberg-Forschungszentrums

Zur Rolle des Totholzes beim Waldbrand

Im Zusammenhang mit dem Waldbrand wird kaum eine Frage so heiß diskutiert wie die nach der Rolle des Totholzes, und immer wieder prallen Aussagen aufeinander, wie sie konträrer kaum sein könnten:

Aus der Stellungname von Prof.Müller, das Gegenstand der obigen Pressemitteilung ist, kann man Widersprüchliches herauslesen:

Die Ursache für die widersprüchlichen Aussagen liegt darin begründet, dass Prof. Müller keine Definition vornimmt, was er unter Totholz versteht. Dabei ist aus anderen wissenschaftlichen Studien und den weltweiten Erfahrungen mit Waldbränden bekannt, dass man für die Totholz-Beurteilung hinsichtlich der Rolle bei Waldbränden differenzieren muss:

Man sollte hinzufügen, dass das kein Gutachten war, sondern eine Stellungnahme im Auftrag des SMEKUL (grob: Umweltministerium). Eine gute und kritische Auseinandersetzung damit findet man auf der bekannten Webseite felsenheimat.de.

Nun gibt es zum Glück nicht nur diese Stellungnahme, sondern zahlreiche Quellen im Netz und vor allem die umfangreiche Studie zum Brand im böhmischen Nationalpark - vgl. die Meldung vom 17.1.23 weiter unten. Und in https://www.irozhlas.cz/zpravy-domov/pozar-ceske-svycarsko-holiny-byly-horsi-odklizene-drevo-analyzy-expertu_2301130500_tec werden deren Ergebnisse noch einmal übersichtlicher zusammengefasst.
Was wissen wir also bisher?

Während in Buchenwäldern, mit Ausnahme von Niederwäldern, keine Fälle von massiven Kronenbränden beobachtet wurden, die den gesamten Stamm betrafen, war bei abgestorbenen Fichtenbeständen in besonderen topographischen und geographischen Lagen (z. B. in schlecht befeuerten Schluchten) dieses Stadium des Brandes eher die Regel.

Letzters widerspricht auch der Aussage der deutschen Studie, dass stehende Bäume nur im unteren Bereich betroffen gewesen wären - und übrigens widerspricht sich der Autor selbst, denn er zeigt Bilder von Stammbränden ohne Bodenbrand und vermutet, dass durch Pilze geschädigtes Holz die Ursache sein könnte. Auch hier sieht er noch Forschungsbedarf.

Vor diesem Hintergrund sollte man auch die "psychologische Betrachtung" der Studie lesen - Zitat aus der Zusammenfassung:

Die liegenden Stämme hatten keine Rinde, waren verblasst und waagerecht gelegt und sahen aus wie Holz für eine Bucht. Deshalb nahmen die Menschen an, dass sie als Brennholz verbrannt werden würden. Als dann das Feuer ausbrach, glaubten die Menschen laut der Studie, dass die Parkverwaltung einen Fehler gemacht hatte, indem sie das Holz im Wald liegen ließ.

"Die Nationalparkverwaltung hat Stämme, die wie Brennholz aussehen, im Wald liegen lassen. Wenn es gebrannt hat, was könnte sonst noch brennen - und warum sollte man die Meinung akademischer Experten einholen, wenn wir alle wissen, wie Brennholz brennt?" Ein solches Konstrukt, so die Wissenschaftler, hat sich in den Köpfen vieler Menschen festgesetzt.

Dies führte laut der Studie dazu, dass einige Meinungsmacher, ohne die wissenschaftlich bestätigten Ergebnisse der Untersuchung abzuwarten, die Nationalparkverwaltung für den Brand verantwortlich machten und ihre Glaubwürdigkeit weiter untergruben.

"So hat sich in den letzten Monaten in der Region ein gesellschaftlich konstruiertes Narrativ verbreitet, das der Nationalparkverwaltung die Schuld an den verursachten Schäden gibt, unterstützt durch die bereits erwähnte visuelle Abhängigkeit, die falsche Vorstellung, dass das, was typischerweise wie Brennholz aussieht, auch wie Brennholz brennt", heißt es in der vollständigen Schlussfolgerung der Studie.

Angesichts der oben genannten Fakten (Brandschwere und Folgen), kann man dem nicht uneingeschränkt zustimmen.

In unserem Nationalpark kommt noch hinzu, dass

Fazit

Es steht außer Frage, dass dicke Stämme und Feinreisig über trockenen Humusauflagen und sicherlich auch Jungfichtenteppiche eine extreme Gefahr darstellen. Man darf nicht vergessen, dass ein Großbrand wie 2022 in unserem Nationalpark mit anderer Windrichtung auch Städte wie Sebnitz und Bad Schandau (zusammen 12.000 Einwohner) bedroht - und natürlich alle Dörfer und Infrastruktur (Straßen, internationale Bahnlinie durch das Elbtal, Gewerbegebiete).

Ebenso ist klar, dass es keine einfache Lösung gibt. Einige Gedanken dazu hatte ich mir schon in der Meldung 30.12.2022 -- Gedanken zur Waldbrandvorsorge - zweites Update gemacht, und es scheint so, dass das die Experten ebenso sehen: Prof. Müller spricht auch von Früherkennung (auch wenn die Idee eines Fesselballons nicht sonderlich seriös erscheint), und der Innenminister hat bereits die Beschaffung von "löschfähigen Hubschraubern" angestoßen. Auch redet man schon über die "Ausdünnung" von Wäldern in Siedlungsnähe. Das wirkt zumindest bremsend - und war bis vor kurzem noch ein No-go.

Eigene Auswertung von Luftaufnahmen von 2020: Totwald-Anteil aufgeschlüsselt

Am 30.7.20 wurden u.a. beide Nationalparkteile überflogen und hochauflösende Luftaufnahmen im Infrarotbereich gemacht, die erlauben, tote Bäume von lebenden zu unterscheiden: Die lebenden erscheinen rot, die toten grau. Wenn man ausreichend hineinzoomt, kann man z.B. am Thorwalder Reitsteig sogar schon umgestürzte Fichten erkennen, und auch die Kletterfelsen sind schön deutlich zu sehen.

Die Bilder gibt es zwar auf

https://geoviewer.sachsen.de/mapviewer2/index.html?map=66ac6cc8-a9d3-46d5-a253-d5a011bfa7ec&lang=de

-- doch es ist viel Inspiration und vor allem Geduld gefragt. Ich habe es geschafft, vergrößerte Bilder einzeln herunterzuladen und sie zu zwei großen zusammengesetzt - vorderer und hinterer Nationalparkteil:

https://www.rotweinundradieschen.de/News/docs/NPhinten.png (14MB groß)
und
https://www.rotweinundradieschen.de/News/docs/NPvorn.jpg (9MB groß).

Die Beschriftungen ließen sich nach entsprechendem Probieren auch noch hineinzaubern. Leider waren Farbe und Größe nicht einstellbar. ABER:

Regionaler Totwaldanteil - die Hauptsache

So interessant das auch ist - ich wollte mehr, und zwar den Anteil der Totfichten in einzelnen Regionen bestimmen. Das ist eine knifflige Programmieraufgabe, denn die Definition, was rot und was grau sein soll, ist nicht so einfach.

Das Ergebnis ist also nicht für bare Münze zu nehmen, aber es liefert wenigstens einen Anhaltspunkt - HIER GUCKEN:

https://www.rotweinundradieschen.de/News/docs/tilesfinal.jpg (6MB)

Der Kartograph Rolf Böhm hat das Ganze noch etwas aufgehübscht:

http://www.boehmwanderkarten.de/wbk.jpg
oder bei mir lokal
https://www.rotweinundradieschen.de/News/docs/wbk.jpg

Ich habe in der Legende darunter nur Kacheln aufgeführt, in denen Bäume vorkommen. Das Bild ist sehr groß (ca. 7500x5000 Pixel), man kann und sollte kräftig hineinzoomen.

Jede Region wird alle drei Jahre überflogen, wir können also auf ein Update in diesem Sommer hoffen. Dann werden die Veränderungen interessant.

Luftbilder von Mezna

Von der Website https://ags.cuzk.cz/geoprohlizec/ extrahierte ich mit einiger Mühe Luftbilder von 2013 bis 2020 von der Umgebung von Mezna (die Ortschaft, in der beim Brand einige Häuser zerstört wurden) und baute eine kleine Diashow aus 5 Bildern daraus:
https://www.rotweinundradieschen.de/mezna/
Auch ohne Zahlen sieht man hier die Zerstörung des Waldes vor dem Brand.

Disclaimer

Eine zuverlässige Erfassung des Totholzanteils ist praktisch nicht möglich und auch nicht nötig. Die Zahlen geben eine Vorstellung vom Flächenanteil des Totwalds, und das ist das, was für uns interessant ist: Größere Totwälder ändern das lokale Klima und die Sukzession (also die weitere Entwicklung der Pflanzen), bestimmen das Landschaftsbild (hallo Tourismus!) und natürlich auch mögliche Probleme mit den Wegen. In der Forstwirtschaft interessiert man sich natürlich mehr für die Bäume selbst und versucht, diese zu zählen, etwa mit folgender Methode:
https://de.wikipedia.org/wiki/Random_Forest
Aber das ist eine ganz andere Zielrichtung.

Hintergrund

Der technische Hintergrund bei solchen Infrarot-Luftaufnahmen ist einfach zu verstehen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Nahes_Infrarot
Chlorophyll reflektiert nämlich Bereiche im Infraroten 6mal stärker als im sichtbaren Licht. So kann man ganz einfach einen lebenden Baum von einem grünen Dach und natürlich auch einem verwelkten/toten Baum unterscheiden. Daher erscheint der lebende (nicht unbedingt gesunde) Wald auf den Aufnahmen rot (Falschfarbendarstellung).

Sterbende Bäume haben eher Grün- oder Blautöne auf diesen Fotos. Die erfasse ich nicht (ist zu unsicher).

Weil es Schatten und Helligkeit und Tageszeiten und Wetter und sonst noch was gibt, ist die Erkennung "was ist rot, was ist grau" nicht einfach. Ich habe die Farbwerte (RGB = rot-grün-blau) in das sog. HLS-Modell umgerechnet ( https://de.wikipedia.org/wiki/HSV-Farbraum ):

L und S liegen zwischen 0 und 255. Und aus zahlreichen manuellen Tests habe ich festgelegt:

Man kann die Parameter verbessern, man kann ganz andere Modelle verwenden, aber es wird immer sichtbare Fehler geben (natürlich bin ich offen für Verbesserungen). Doch die Zahlenwerte vermitteln durchaus einen plausiblen Anhaltspunkt, wie es wo großflächig um dem Wald bestellt ist. Und ich hoffe, die Änderungen zeigen sich später auch in diesem Modell.

Mit Bildverarbeitung, Auswahl nach Farbe etc. kommt man zu deutlich schlechteren Ergebnissen - und vor allem bekommt man keine Statistik.

Für die Freaks

Wer sich dafür interessiert und programmiert, kann sich das zugehörige Programm ansehen unter https://www.rotweinundradieschen.de/News/docs/pixelcount.go Das ist in der Sprache Go geschrieben und ist auch ohne Parallelisierung sehr schnell: Die 14MB des hinteren NP-Teils hat es in 7 Sekunden gescannt und vier Bilder gleicher Größe mit verschiedenen Darstellungen erzeugt (AMD Ryzen 7 2700). Ich wandele die RGB-Werte zunächst mit der Funktion HLS() in HLS um und ermittle empirische Werte mit einem Pythonskript und einem KDE-Tool unter Linux. Diese Werte werden dann in der Funktion Testhls verwendet, siehe oben unter "Hintergrund".

Die Polizei fahndet nach dem Verursacher des Brandes in der Böhmischen Schweiz

Auf der Webseite

https://www.idnes.cz/usti/zpravy/policie-hleda-vinika-pozar-ceske-svycarsko-ohen.A230124_144440_usti-zpravy_imst

gibt es am 24.1.23 einen Zwischenbericht:

"Ich kann mitteilen, dass wir den Kreis der Personen untersuchen, die sich zu diesem Zeitpunkt in dem Gebiet aufhielten, und aus unserer Sicht kann man sagen, dass sie unter Umständen verdächtigt werden können, in irgendeiner Weise an der Brandlegung beteiligt gewesen zu sein", sagte Zbyněk Dvořák, stellvertretender Direktor der Kriminalpolizei und des Ermittlungsdienstes.

Er wollte sich nicht dazu äußern, ob es sich um Ausländer oder Tschechen handelt. "Wenn wir heute etwas sagen können, dann mit Sicherheit, dass das Feuer im Bereich des Seitengrats des Himbeergründels (Malinovy Dul) entstanden ist", sagte Dvořák.

Der Ausbruchsort war nach den Erkenntnissen der Polizei eine Fläche von etwa 50 mal 16 Metern. "Das ist zweifelsohne der Ursprung des Feuers", fügte er hinzu.

...

"Das Ergebnis der technischen Überwachung wird sein, dass wir in der Lage sein werden, ein Modell der Brandausbreitung zu erstellen", fügte Dvořák hinzu.

...

Satelliten entdeckten den Ursprung des Feuers am 24. Juli um 2:09 Uhr morgens. Um 00:48 Uhr hatte der Satellit das Feuer noch nicht beobachtet. Die Ranger des Nationalparks Sächsische Schweiz sahen zwischen 5:45 und 6:45 Uhr dichten Rauch zwischen Hrensko und Janov aufsteigen. Kurz darauf riefen Ranger auf der tschechischen Seite freiwillige Feuerwehrleute zu Hilfe, später trafen Einheiten der Feuerwehr vor Ort ein.

Das Feuer breitete sich im Laufe des Vormittags und Nachmittags aus. Zunächst war der Kamm des Himbeergründels betroffen, später breitete sich das Feuer auf Deutschland und Richtung Klepac [Gaststätte in Hrensko, R.W.] aus. Um 14:40 Uhr kam es zu einem weiteren Ausbruch, der bis zu einem Kilometer vom ursprünglichen Feuer entfernt war. Um 18:38 Uhr mussten die Feuerwehrleute zum zweiten Ausbruch ausrücken. Sie waren von Flammen umgeben und hatten kein Wasser mehr.

Die Polizei hat bisher ausgeschlossen, dass das Feuer durch Witterungseinflüsse verursacht wurde. Es ist noch nicht klar, ob jemand das Feuer im Wald gelegt oder vielleicht eine Zigarettenkippe fallen gelassen hat. "Wir haben noch keiner dieser Ermittlungsversionen Priorität eingeräumt, und beide haben im Moment die gleiche Priorität", so Dvořák.

...

Die Polizei wartet nun auf das Gutachten der Feuerwehr. Auch die Zeugen des Vorfalls, von denen es mehrere hundert gibt, werden befragt. ... Die Untersuchung wird voraussichtlich mehrere Monate dauern.

Rund 6.000 Feuerwehrleute und 400 Geräte waren im Einsatz, um das Feuer zu bekämpfen. Die endgültigen Kosten des Feuerwehreinsatzes wurden auf 226 Mio. CZK geschätzt [etwa 9 Mio. €, R.W.], wobei der Nationalpark den Schaden auf rund 100 Mio. CZK beziffert. Die Bewohner von Vysoké Lípa, Hřensko und der Siedlungen Mezná und Mezní Louka wurden evakuiert. In Mezná brannten drei Häuser vollständig nieder und mehrere andere wurden von den Flammen beschädigt.

Tschechische Studie zum Waldbrand in böhmischer Schweiz

Bereits im November 22 (angegebenes Datum auf dem Paper) kam in Tschechien eine 113-seitige Veröffentlichung mehrerer Autoren heraus, die verschiedene Aspekte des Waldbrands im Sommer 22 untersuchten:

"Welche Faktoren haben das Entstehen und die Ausbreitung des Brandes im Nationalpark Böhmische Schweiz bewirkt?"

Auf der bekannten Seite felsenheimat.de wird die Studie in größeren Teilen übersetzt, wobei natürlich an vielen Stellen noch die maschinelle Übersetzung zu spüren ist - und außerdem ist es schwer, trotz der Kommentare die interessanten Dinge herauszufiltern.

Update: Eine offizielle Übersetzung ist auf der Seite der Nationalparkverwaltung zu finden:

https://www.nationalpark-saechsische-schweiz.de/waldbrand2022/

Hier greife einige für uns besonders interessante Punkte heraus, vor allem aus dem Kapitel 4 "Feldnachweis von Brandspuren im Nationalpark Böhmische Schweiz im Sommer 2022" von Pavel Šamonil (ab S.20). Ich habe wie auf felsenheimat.de mit DeepL und Google Translate gearbeitet, aber die Sprache etwas "geglättet". Die Seitenzahlen beziehen sich auf das tschechische Original.

S.15, Brandgefahr in lebendem Wald und auf Lichtungen: (aus einer anderen Arbeit)

Durchschnittliche Tagestemperaturen auf gerodeten Flächen sind viel höher als im Wald, daher stärkere Austrocknung und Absterben besonders in Bodennähe. Lebender Fichtenwald hat niedrigere Bodenfeuchte, weil die Fichten Wasser entziehen.

Lichtungen im Sukzessionsstadium, nicht durchgehend von jungen Bäumen bedeckt, sind besonders brandgefährdet. Unterirdische Brände werden in lebenden Baumbeständen begünstigt.

S.27, Brandschwere in Nadel-, Laub- und Totholzwäldern:

Höhere Stufen der Brandschwere wurden in Nadelwäldern häufiger erreicht als in Laubwäldern und vor allem in vor dem Brand abgestorbenen Wäldern aufgrund der Borkenkäferschäden.

Über den kritischen Funkenflug ist kaum etwas zu lesen, jedoch: Die Art der Vegetation ist nicht entscheidend für Ausbreitung des Feuers, aber für die Schwere. Das erklärt die missverständlichen Aussagen wie "auf Lichtungen hat es genau so gebrannt wie im Totwald": Das Totholz spielt sehr wohl eine entscheidende Rolle beim Brandverlauf! Weiter auf S.27:

"In Buchenwäldern wurden außer in Niederwäldern keine Fälle von massivem Kronenbrand beobachtet, der auch auf den gesamten Stamm einwirkt. Im Fall von abgestorbenen Fichtenbeständen ..., z. B. in schlecht zu löschenden Schluchten, wurde diese Stufe der Verbrennung die Regel. Ursprünglich waren es 60-90 Jahre alte Fichtenbestände, die nach 2018 der Ausbreitung vom Buchdrucker und in geringerem Maße auch anderen Borkenkäfer befallen wurden. ... Auf dem Höhepunkt der Verbrennung sind nur noch verkohlte Stümpfe von stehendem Trockenland übrig."

S.31, Brennen von Kahlschlägen:

Die Kahlschläge waren überraschend stark vom Feuer betroffen, trotz ihrer "Lichtung", d.h. trotz des Fehlens stehender und Holzabfälle. Das Feuer breitete sich schnell durch die krautige Vegetation und über die Oberfläche aus. Die Baumstümpfe waren hochentzündliche Orte mit einer großen Menge an "Brennstoff", die oft als eine Art brennende Hotspots fungierten.

So kam man zu der Fehlannahme, dass Totholz keine Rolle beim Waldbrand spielen würde. In Wirklichkeit bestimmt das Totholz die Schwere des Brands und ist über die Funkenbildung (sog. Flugfeuer) sogar besonders kritisch bei der großflächigen Ausbreitung!

Weiter auf S.31:

Laubbäume, gemischte Niederwälder und Stangengewächse wurden in der Regel an der Basis verkohlt, und das Feuer ging über die Bodenoberfläche hinaus. Vor allem in der Nähe von brennenden toten Fichtenbeständen kam es jedoch zu einer vollständigen Verkohlung der Bäume bis zu ihren Wipfeln (die Bäume brannten in der Regel nicht vollständig ab). Einige der Setzlinge sind im November 2022 bereits vollständig abgestorben, anderswo überlebten noch einzelne Bäume. ... Wir rechnen mit fortgesetzter Entlaubung und dem Absterben eines erheblichen Teils der jetzt überlebenden Bäume im Frühjahr 2023.

In den Hängen breitete sich das Feuer sehr leicht aus, indem es den Stamm hinauf und in die Baumkronen vordrang und dieses Hindernis überwand. ...und erreichte dabei beachtliche Höhen von mehreren Dutzend Metern. Selbst die unzugänglichen Kiefern zwischen den Felsen waren verbrannt, und in einigen Fällen breitete sich das Feuer über sie bis zu den Gipfeln aus.

S.32, Rolle der Topografie:

Nicht zu vergessen, dass vor allem das "Fichtenmikado" den Zugang erheblich erschwerte!

S.33, uneinheitliches Bild:

Das Feuer war ungewöhnlich variabel; selbst in Schluchten mit Totalbränden gab es noch unberührte Bereiche, in denen möglicherweise Samen überlebten.

S.36/37, liegende Baumstämme:

Stehende und liegende Baumstämme versorgten das Feuer mit außergewöhnlich brennbarem Material bei außergewöhnlich hohem Volumen im Vergleich zu anderen Teilen des Ökosystems. Die Buchenstämme waren in dieser Hinsicht am wenigsten empfindlich sowie einige andere Laubbäume, während abgestorbene Fichten am empfindlichsten waren.

In den lebenden Wäldern konzentrierte sich das Feuer daher in der Regel auf die Basen der abgestorbenen Fichten, gefolgt von auf lebende Kiefern und am wenigsten häufig auf Laubbäume. Das Feuer breitete sich auch leicht über Lichtungen und Baumstümpfe aus. Bäume und Gestrüpp fungierten hier als Brennpunkte, die durch die Verbrennung von organischem Boden verbunden waren: Horizonte, krautige Vegetation und an einigen Stellen auch Baumbewuchs.

Liegende Baumstämme auf Hochebenen und in Talsohlen mit intensiver Verbrennung dienten auch als Zentren der Verbrennung, so dass in ihrer unmittelbaren Nähe die darüber liegenden Bodenhorizonte bis auf die Mineralböden verbrannt wurden. Es ist davon auszugehen, dass in diesen Gebieten die ursprünglichen lokalen Saaten vollständig zerstört wurden.

Fazit

Es deckt sich mit unseren Beobachtungen, dass gerade die liegenden (aber nicht aufliegenden) Baumstämme eine, wenn nicht die Hauptbrandlast erzeugen - natürlich Fichten, keine Laubbäume. Die Ausbreitung geschieht natürlich über extrem trockene Böden, aber der hier kaum erwähnte Funkenflug ist besonders tückisch, weil sich das Feuer so nur sehr schwer lokalisieren lässt.

Rundumschlag beim MDR in Sachen Waldbrand und Totholz

Biwak-Moderator hat einen herrlichen, umfassenden Beitrag zu diesem Thema in den MDR-Nachrichten verfasst:

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/freital-pirna/waldbrand-saechsische-schweiz-nationalpark-expertenkommission-100.html

Möge dieser Link Flügel bekommen und in die weite, analoge und digitale Welt hinaussegeln.

Waldbrandvorsorge im "Flachwald" kontra Sächsische Schweiz

In der Zeitschrift "AFZ Der Wald" 1/23 erschien ab Seite 28 ein Artikel "Waldbrandvorbeugung durch Anlegen von Waldstrukturen", u.a. von Prof.Müller von der TU, der auch in einer der beiden Expertenkommissionen sitzt.

Für den Fachmann sollte der Inhalt nicht so neu sein, aber er bietet einen schönen Überblick - und vor allem zeigt sich der krasse Unterschied zur Situation hier im Nationalpark. Eine Zusammenfassung des Artikels in aller Kürze:

Wund- und Schutzstreifen

Wund- und Schutzstreifen "werden angelegt, um das Übergreifen von Bodenfeuern auf die angrenzenden Flächen zu verhindern und gefahrenträchtige Objekte abzuschirmen."

Wundstreifen sind blanker Boden oder niedriges Gras; man kennt das von Eisenbahnstrecken in Kiefernwäldern (Funkenflug durch blockierte Bremsen oder Dampfloks). Sie stoppen Bodenbrände und müssen ständig freigehalten werden.

Schutzstreifen: Nicht mit dem Boden verwachsenes Material muss entfernt werden, Bäume sind bis in 4 oder besser 6m Höhe zu entasten. Damit kann ein Bodenfeuer nicht zum Vollfeuer, also inklusive Kronenbrand, werden.

Waldbrandriegel

Das sind Waldstrukturen, die ein anlaufendes Vollfeuer in ein Bodenfeuer verwandeln sollen. Besonders günstig sind Roteichen, denn sie lassen wenig Licht durch, verhindern damit übermäßige Bodenvegetation und verlangsamen Bodenbrände stark. Vollfeuer sind kaum möglich, und brandgeschädigte Bäume schneidet man einfach ab - sie treiben wieder neu aus. Rotbuchen wären auch geeignet (falls der Boden dafür taugt), müssen aber erst ein dichtes Kronendach ausbilden, bevor sie die gleiche Wirkung entfalten.

Parallel dazu richten man sozusagen "Fahrspuren für die Feuerwehr" ein, um im Brandfall vor Ort sein zu können.

Brandlast verringern

Nach dem Entfernen von niedrigeren Ästen und Fällungen von Bäumen werden die "Hiebsreste" durch Maschinen in den Boden gedrückt, wodurch sie schneller durchfeuchten und verrotten. Auch brennt dichtgepacktes Material nicht so schnell wie locker geschichtetes.

Vergleich zur Situation in unserem Nationalpark

Es zeigen sich sofort krasse Gegensätze zwischen dem möglichen Vorgehen hier und z.B. in flachen Kiefernwäldern:

Falls also Waldbrandriegel bei uns angelegt werden sollen, muss man an das Flugfeuer denken (Funkenflug). Ein Riegel vermindert die Gefahr, Häuser zu entflammen, beseitigt sie jedoch nicht. Die Ortschaften müssen sich zusätzlich selbst gegen Funkenflug schützen (keine brennbaren Dächer, kein Rindenmulch, keine Strohballen o.ä.). Feuerwehreinsatz vor Ort ist dann nicht immer möglich, wie in Mezna geschehen, wo die Feuerwehr vor den heißen Luftmassen fliehen musste.

Es bleibt dabei - die erste Hilfe ist derzeit das Entscheidende und Machbare: Brände so zeitig wie nur möglich erkennen (Patrouillien, Feuerkamera, Drohnen, Webcams) und so schnell wie möglich eindämmen (wofür sich dann doch ein kleiner Flieger wie aus der Deutschen Löschflugzeug - Rettungsstaffel anbieten könnte, auch wenn er zum Löschen selbst nicht taugt: Aber zur Begrenzung.

Schließlich wurde schon so mancher Brand von einem Förster mit Wassertonne und Gießkanne auf dem Leiterwagen gelöscht.

Gedanken zur Waldbrandvorsorge - Update

Das ist nur eine Momentaufnahme (Dezember 22) - meine Vorstellungen, was derzeit am dringendsten getan werden müsste, um einen weiteren, noch größeren Waldbrand (mit dem man vermutlich rechnen muss) möglichst rasch einzudämmen. Um Ergänzungen und Bemerkungen wird ausdrücklich gebeten!

Nationalpark, Naturpark, Waldbrand

Ein Beitrag in Deutschlandfunk-Kultur:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/nationalpark-saechsische-schweiz-waldbrand-hohnstein-100.html

unter dem Titel Zu wenig Regulation für zu viel natürlichen Wald?

Hier kommen der Waldbrandexperte Prof.Müller von der TU Dresden, der Nationalparksprecher H.-P. Mayr, Mirko Göhler vom Landkreis (Brandschutz) und andere zu Wort. Es gibt einiges zu kritisieren, aber es ist ebenso Neues drin. So erklärt Prof. Müller:

"Es ist eher das feinere Material, also Äste, Zweige unter sieben Zentimetern, die Nadelstreu, die Bodenvegetation, die Humusauflage. Das ist die eigentliche Brandlast."
...
Trotzdem schlägt er vor, die Waldgebiete um Dörfer und Städte herum auf den Prüfstand zu stellen.
"Man würde dazu übergehen, dass man den Waldbestand relativ gut durchforstet, damit die Baumabstände etwas größer werden. Einzelbäume brennen nicht. Man muss dafür sorgen, dass die Streu- und Humusauflage, die Bodenvegetation gemindert wird. Denn dann gibt es kein Bodenfeuer und damit gibt es keine Vollfeuer und auch keine Flugfeuer."

Der erste Absatz stimmt in unserem Fall definitiv nicht: Die größte Brandlast im Sinne eines ausdauernden Feuers kam von liegenden Stämmen, und von dort offenbar auch die meisten Funken, die für die anfänglich kaum kontrollierbare Brandausbreitung sorgten.

Aber der Idee des Durchforstens wurde doch noch vor einigen Wochen krass widersprochen: Prozessschutz, hier darf keinesfalls eingegriffen werden, und es sei ja alles nicht so schlimm. So war es immer wieder zu hören. Ich bin sehr gespannt, wie sich das weiterentwickelt. Man wird den Prozessschutz für nicht so kleine Gebiete aufheben müssen. Wie darin allerdings die Brandlast im Boden reduziert werden soll, ist eine interessante Frage.

Neu ist die Forderung, Stellen zu definieren, an denen mobile Wasserbehälter aufgestellt werden könnten. Das habe ich gleich unter dem Punkt "Zisternen" in den Gedanken zur Waldbrandvorsorge in diesen News ergänzt.

Weiteres Zitat von Prof.Müller:

"Für Waldbrände, insbesondere größerer Ausprägung ist es das, wohin wir wieder zurückkehren sollten, dass man tatsächlich außenrum sichert und innendrin solche schwer löschbaren Bereiche nur sichert, bis sie von selbst ausgehen. Denn kein Hektar Wald, egal ob im Nationalpark oder woanders, ist es wert, Menschenleben zu riskieren."

Letzterem ist auf jeden Fall zuzustimmen, der erste Teil ist die Kapitulation, die man möglichste vermeiden sollte - zumindest sind ist der Funkenflug einzudämmen. Hier ist hoffentlich Luftunterstützung hilfreich. Nicht ohne Grund sagt er gleich zu Anfang:

"Und in solchen steilen Hanglagen, die auf der tschechischen Seite vor allem waren, wo auch Kamineffekte entstehen, kann man im Grunde nicht angreifen. Das wäre lebensgefährlich, und es gibt auch keine Technologie, die das gewährleisten würde."

Zur Früherkennung von Bränden - angesichts der Lage in den nächsten Jahren meiner Meinung nach der dringendste Punkt - erwähnt er nur den frommen Wunsch eines flächendeckenden Funknetzes. Hier ist wohl eher neue Technik gefragt: Z.B. Feuerkameras mit sicherer Branderkennung, autonom und über Funk angebunden - vielleicht gibt es das alles schon, mal in anderen Ländern nachfragen.

Man hat auch begriffen, dass die 15 Kilo schwere Schutzkleidung von Feuerwehrleuten für Waldbrände nicht geeignet ist. Außerdem sollen "Hacken und Spaten für die Bodenbearbeitung angeschafft werden" - ???

Kurzum: Man hat immerhin erkannt, dass es so nicht weitergeht und eine akute Bedrohung besteht. Sicherlich ist den Verantwortlichen klar, dass ein noch größerer Brand dann nicht mehr beherrschbar ist - und vor allem ist er möglich, denn wir hatten diesmal relatives Glück durch das Drehen des Windes in Richtung Tschechien.

Fitter Wald für die Zukunft

Auf https://www.heise.de/hintergrund/Fitter-Wald-7165472.html erschien ein langer, lesenswerter Artikel

Buche, Eiche, Lärche: Die gute Mischung für einen klimatoleranten Forst

Obwohl eigentlich eine IT-Seite, "wildert" sie öfters z.B. in Astronomie und Quantenphysik, jetzt eben auch in Forstwirtschaft. Weil das viel zu lesen ist und nicht alle Lust und Zeit haben, das durchzuarbeiten, hier ein paar Stichpunkte daraus:

Natur machen lassen: Was passiert in Deutschlands einzigem Rewilding-Projekt?

Der Artikel https://www.heise.de/hintergrund/Mehr-Wildnis-wagen-7165482.html ist sehr lang, aber interessant. Es gibt neben all den abgegrenzten Schutzgebieten mit festen Auflagen auch noch ein neues, dynamisches Konzept, das sog. Rewilding. Ich zitierte hier einmal aus der Wikipedia:

Die Vorstellungen der Rewilding-Konzepte korrespondieren meist mit den Vorstellungen einer Umwelt, wie sie vor dem Anthropozän aussah, oftmals wird aber nicht eine Rückentwicklung, sondern eine Adaption für die Zukunft anvisiert.

Das Konzept ist mehr eine Richtung, nicht starr, und bezieht die Menschen ausdrücklich mit ein. Auszugsweise hier ein paar Splitter daraus:

ZEIT-Artikel über Nationalparkstatus in Harz und Sächsischer Schweiz

Auch die ZEIT greift nun schon den Streit um Totholz und Nationalpark auf:

https://www.zeit.de/2022/51/nationalpark-harz-saechsische-schweiz-abschaffung

Falls der Artikel hinter der Paywall verschwindet, für die Newsleser hier

Die Kommentare zeugen vorwiegend von Unkenntnis, nur Sir-Waldschrat auf Seite 7 stellt es richtig und nennt auch die Thesen des SBB - aber er kommt aus Schöna :-)

Beobachtungsfelder zur Waldentwicklung

Die weitere Entwicklung des Walds im Nationalpark ist angesichts des Brands, des Klimas und des Fichtensterbens ein Thema mit vielen offenen Fragen. Wir müssen einfach beobachten. Mich persönlich interessieren vor allem folgende Punkte:

Nabu stoppt Totholzberäumung im Harz

Der Nationalpark Harz erschien uns ja voraus zu sein, weil man dort vor allem rund um Schierke herum bereits mit der Beräumung von Totholz begonnen hatte, während bei uns noch erste Empfehlungen einer Expertenkomission abgewartet werden.

Nun hat der Nabu dort mit einer Klage die Beräumung vorerst gestoppt:

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/harz/gericht-stopp-totholz-beraeumung-104.html

Der Ausgang ist offen, aber für uns sehr interessant, denn ein endgültiger Stopp wäre Oberwasser für das militante Auftreten des BUND in Sachsen.

Weiter unten auf der Seite wird wieder der bekannte Feuerökologe Prof.Goldammer interviewt:

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/freital-pirna/waldbrand-totholz-feuer-experte-interview-100.html

Wenn das hier so weitergeht, kann es sein, dass die Natur in der nächsten Trockenperiode "einfach macht", statt Entscheidungen abzuwarten (die dann erst einmal realisiert werden müssen - siehe Beispiel Löschwasserzisternen: Von sieben geplanten haben gerade erst zwei überhaupt die Genehmigung).

Begehung im Gabrielengrund am 11.11.22

Auf einer Radtour machte ich einen Abstecher von Hrensko nach oben und schob mein Rennrad den Gabrielengrund hinter bis vor den Knick. Das sind die Bilder aus der interaktiven Karte:

35874_gabrieleErosion.jpg
35875_gabrieleBlick.jpg
35876_gabrieleErosionFarn.jpg
35877_+gabrieleErosion2.jpg
35878_gabrieleSandreisse.jpg
35879_+gabrieleHinten.jpg
35880_gabrieleHangverbau.jpg
35882_+gabrieleBlickvorn.jpg
35883_gabrieleHangverbau2.jpg

Beobachtungen

Hier war also Totalbrand (Boden und Kronen) und offenbar tiefreichender Bodenbrand wegen des vielen Totholzes. Wie Feuerökologe Goldammer in so einem Fall sagt: Das macht 100% Verlust. Und die Brandexperten weisen darauf hin, dass der Hauptschaden erst hinterher kommt - Erosion, Artenverlust.

Auffällig waren viele Besucher an diesem kühlen, nicht so sonnigen Werktag, sehr viele aus Polen. Es ist offenbar die Neugier, die Brandfolgen mit eigenen Augen zu sehen - das trieb mich ja auch an. Das sollte man bei Prognosen zu zukünftigen Besucherströmen bedenken. Es wird nachlassen, denn schön war das keinesfalls, was ich heute zu Gesicht bekam, ebenso wie das Fichtenmikado bei uns.

Antrag auf dem CDU-Landesparteitag am 5.11.22 zum Nationalpark

Auf dem besagten Parteitag hat der Kreisvorstand der CDU Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zwei Anträge gestellt - einen zum Brandschutz (A-7) im Nationalpark und einem zum Status (A-8), der angesichts der zahlreichen Probleme überprüft werden sollte:

Anträge als PDF

(Quelle: https://www.cdu-sachsen.de/Dateien/antraege/16404804 )

Letzterer spricht viele Probleme an, die wir auch schon bemängelten, bezweifelt aber zusätzlich noch, ob es überhaupt sinnvoll war, hier einen Nationalpark auszuweisen. Recht kühn ist auch, auf den vorderen NP-Teil ganz zu verzichten.

Mir ist derzeit (6.11.) nicht bekannt, ob der Antrag zugelassen und besprochen wurde. Wir sollten Ohren und Augen offenhalten.

Nationalpark Harz versucht auch, OpenStreetMap "auf Linie" zu bekommen

Wer um den sog. "edit war" zwischen unserer Nationalparkverwaltung und "Mappern" bei OpenStreetMap weiß (Mapper sind Leute, die dort mitarbeiten), weiß um den Kampf an der Digitalfront: Die Nationalparkverwaltung (in Gestalt des Users "Nationalpark Sächsische Schweiz" alias Dr.Anne Seltmann und des Helfers DD1GJ) macht Wege unsichtbar, die wir nicht laufen sollen, andere tragen wiederum gelaufene Wege ein oder machen sie wieder sichtbar (das geschieht durch tagging - man weist Objekten entsprechende Attribute zu). Und die Verwaltung "löscht" sie wieder (macht sie unsichtbar).

Unzählige Webseiten und Apps basieren auf OpenStreetMap (OSM), und ich denke, das wird (oder ist es schon) die zentrale Referenz für Kartendaten. OSM geht über eine gedruckte Karte weit hinaus: Sie wird zeitnah korrigiert und enthält weitaus mehr Daten als eine gedruckte Karte. Diese Daten kann man einsehen, wenn man von openstreetmap.org ausgeht, auf den Kartenstapel rechts klickt und dann "Kartendaten" aktiviert - vorher aber entsprechend hineinzoomen! So erfahre ich die Öffnungszeiten des Schusters um die Ecke.

Der Trugschluss bei diesem edit war ist, dass die Behörde denkt: Wenn wir die Ausgangsdatenbasis einschränken, laufen Leute auch keine Wege mehr, auf denen wir niemand sehen wollen.

Aber so läuft es nicht. OSM ist ein Community-Projekt, dort kann jeder mitmachen. Alles ist öffentlich und sichtbar, sogar jede Änderung in der Vergangenheit (und wer sie vornahm). Auch ist der verbotene Weg vielleicht noch auf dem Navi, weil dort die Karte etwas älter ist. Da kann die Verwaltung nix machen.

Vor dem totalen Chaos bewahren uns vereinbarte Anstandsregeln, analog zur "Netiquette" in anständigen Foren (es sind nur wenige Netzwerke wirklich asozial). OSM kann nicht von einer Behörde verwaltet werden.

Wer es nicht glaubt - erinnert Ihr Euch noch an das Duell Wikipedia gegen Brockhaus? Brockhaus hat verloren. Das glaubte anfangs niemand, am wenigstens wohl Professoren, die an der Uni heftig gegen Wikipedia wetterten. Nun ja, diese Professoren hatten Bücher geschrieben, die teils durch Wikipedia hinfällig wurden ...

Und außerdem wird praktisch nie ein Weg gelöscht, er bleibt nur als "unsichtbar" in der Datenbank und kann jederzeit mit einem anderen Darstellungsprogramm (sog. Renderer) sichtbar gemacht werden oder auch extrahiert und als GPX-Track in jedes Navi geladen werden. Wer also die Praxis des Querfeldeinlatschens verhindern will, erreicht mit dem tagging bei OSM zwar etwas, aber wenig. Komoot zum Beispiel lebt in seinem eigenen Universum, es nutzt nur OSM.

Lustig ist nun, dass im Harz genau dasselbe abläuft wie hier:

https://www.heise.de/news/Digitale-Wanderwege-Nationalpark-Harz-forciert-Loeschungen-im-Internet-7329881.html

Nach meiner Ansicht ist die Wurzel allen Übels, dass Verwaltungen zentralistisch denken und diese neue, "flache" Welt der Community-Projekte immer noch nicht begriffen haben (#Neuland). Und wenn man Komoot wirklich etwas vorschreiben könnte, dann macht eben der Nächste sein Projekt auf.

Drastisches Beispiel: Noch während der große Brand wütete, taggte unsere Nationalparkverwaltung illegale Wege wie (den in der Praxis häufig begangenen) Thorwalder Gratweg und den Auerhahnsteig in den Partschenhörnern unsichtbar. Als Symbolik verheerend! In einem Forum regte man sich auf, dass diese Wege ja gerade für einen Feuerwehreinsatz vor Ort wichtig wären. Stimmt, "aber Feuerwehr wie Bergwacht erhalten andere Karten". Doch die Zeit des Herrschaftswissens ist vorbei, meine Damen und Herren!

Wie es weitergeht, kann ich auch nicht sagen. Aber ich bin seit etwa einem Vierteljahrhundert in der Open-Source-Szene zu Hause und weiß, dass am Ende immer die Community siegt, keine Zentralmacht, wenn das Thema von starkem allgemeinem Interesse ist. Regeln müssen anders durchgesetzt werden, nicht einfach durch Wissensbeschränkung - das funktioniert nicht mehr.

Bei all dem Gejammere über Leute auf verbotenen Wegen mit Smartphone in der Hand: Wir sollten auch mal das Positive sehen. Gute Karten, die auf der Beobachtung vor Ort basieren (und das zeichnet OSM aus!), verhindern vor allem das Umherirren im Gelände und erlauben sehr viel bessere Planung als mit mäßig guter gedruckter Karte, sofern man eben gelernt hat, die Online-Karte richtig zu deuten (und nebenbei auch noch ins Gelände schaut). Ich selbst habe einen Qualitätssprung regelrechten bei meinen Touren erlebt, nachdem ich mit vorher recherchierter Route auf meinem Navi laufe. Man traut sich ganz andere Touren und lernt mehr Neues kennen.

Ich bin Optimist: Die Umstellung auf diese neue Welt braucht ihre Zeit, aber der Gewinn ist viel größer als der Schaden.

Und es gibt übrigens auch heute noch Leute, die nicht mal eine Karte lesen können :-) Oder nicht mit haben, so wie die zwei, die unter dem Kleinen Winterberg nach Osten liefen und zu Idagrotte und Lichtenhainer Wasserfall wollten. Wegweiser nicht deuten können.

P.S.: Ich gebe zu, ich habe einen Weg in OSM gelöscht. Aber dieser Weg war ein nicht existierender Bergpfad in der Nähe des Portalturms (Großer Zschand), wo letzte Woche schon Verirrte in absturzgefährdetem Gelände gesehen wurden. Für nicht existierende Wege gibt es kein geeignetes Tagging.

taz-Artikel zu Hohnstein kontra Nationalparksprecher

Heute erhielt ich diesen Artikel aus der taz vom 25.10.22 über den Streit zwischen Hanka Owsian (Bürgerinitiative Hohnstein) und Hans-Peter Mayer (Nationalparksprecher). Na gut, nicht ganz, denn die beiden haben nicht miteinander geredet. Leider kommt Hohnstein da nicht gut weg für den unwissenden Außenstehenden. Und grinsend muss ich feststellen, dass H.-P.Mayr zwischen grünen Farnwedeln sitzt und stolz auf die Renaturierung ist. Wir wissen es besser.

Und es gibt gleich Widerspruch:

http://www.boehmwanderkarten.de/neuigkeiten/is_neu.html

Stimmt, der Grenzweg ist nie aufgegeben worden.

Originalartikel: https://taz.de/Waldbraende-in-der-Saechsischen-Schweiz/!5887011&s=s%C3%A4chsische+schweiz/

In Sachen vernünftiger Waldentwicklung habe ich momentan wenig Hoffnung. Aber die Brandgefahr ist etwas, wo wir keinen Zoll nachgeben dürfen.

Wegeexkursion Weber/Richterschlüchte am 26.10.22

Zu dritt liefen wir von Neumanmühle und Großen Zschand in die Weberschlüchte, auf Kletterzustieg hoch zum Jortanshorn und weiter bis in die Richterschlüchte, hoch auf das Plateau (Kletterzugang zum Grottenwächter) und zurück durch die Richterschlüchte. Am Ende erkundeten wir noch einen möglichen alternativen Abstieg vom Kleinen Lorenzstein hinab zum Flößersteig, der aber schwer zu finden und an einer Stelle erosionsgefährdet ist.

Viele Bilder sind in der interaktiven Karte eingetragen, eine vollständige (meist unkommentierte) Bildergalerie, auch mit schönen Herbstfotos, ist unter https://www.rotweinundradieschen.de/Pathpics/schwarzweberrichterlorenz/ zu finden.

Was haben wir gesehen?

Auswirkung von exzessivem Stickstoffeintrag auf den Wald

Hier ist ein schöner, sehr verständlicher und interessanter Artikel, was Stickstoffverbindungen im Übermaß mit unseren Wäldern machen:

https://taz.de/Auswirkungen-auf-Waelder/!5885964/

Da habe ich auch gleich eine Menge Neues gelernt, obwohl ich vor Jahren dachte, es wäre einfach: viel Stickstoff an Oberfläche -> Fichten wurzeln flach -> mehr gefährdet bei Trockenheit und fallen bei Sturm eher um.

Das stimmt zwar, aber es kommt ja noch viel mehr: Moose gehen ein, Brombeeren machen sich breit, Bäume wachsen zu schnell, Böden versauern und so weiter. Die Kausalketten sind sehr verständlich erklärt, dazu braucht man nicht studiert zu haben.

Und es zeigt sich wieder einmal: Der Hauptübeltäter ist die Landwirtschaft. Aber das ist ein mächtiger, sehr mächtiger Gegner. Deswegen legt sich der BUND lieber mit den paar störenden Besuchern im Nationalpark an, die sind doch viel schlimmer :-(

Biosphärenreservate sind schwächer als Nationalparks, aber wenn man vor allem das Ende liest, zeigen sich ganz analoge Probleme, mit denen wir hier kämpfen:

Naja, und die Rotmilane - auch ohne jedes Schutzzone sehe ich immer mehr von diesen, sie verdrängen vielerorts sogar die Mäusebussarde.

Text aus: https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/sued-thueringen/schmalkalden-meiningen/unesco-naturschutz-wald-biosphaerenreservat-roehn-kritik-100.html

Unesco-Titel: Neue Pläne für Biosphärenreservat Rhön stoßen auf Kritik

von Marlene Drexler, MDR THÜRINGEN

Stand: 21. Oktober 2022, 14:51 Uhr

Seit mehr als 30 Jahren bilden große Teile der Rhön in Thüringen, Bayern und Hessen ein länderübergreifendes Biosphärenreservat. Damit die Unesco diesen Status weiter anerkennt, muss der Anteil der Schutzzonen deutlich erweitert werden. Pläne, die den Kommunen und vielen Grundstücksbesitzern Sorgen bereiten. Das Thüringer Umweltministerium verweist dagegen auf den Bestandsschutz.

Bei einer Informationsveranstaltung zu den neuen Plänen für das Unesco-Biosphärenreservat Rhön platzt das Bürgerhaus in Kaltennordheim im Landkreis Schmalkalden-Meiningen fast aus allen Nähten. Eingeladen hat Erik Thürmer (CDU), Bürgermeister der Stadt Kaltennordheim und gleichzeitig Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft Hohe Rhön.

Das Thema an diesem Mittwochabend: der neue Entwurf der Verordnung für das Biosphärenreservat. Darin sind die Regeln und Verbote für das unter Schutz stehende Mittelgebirge in Bayern, Hessen und Thüringen festgeschrieben.

Die Gebietskulisse umfasst insgesamt über 2.400 Quadratkilometer, eine Größe, die etwa dem Saarland entspricht, wobei gut 20 Prozent dieser Fläche in Thüringen liegen.

Zehn Jahre für Überarbeitung der Schutzzonen

Nach der Wende hatte die Unesco die Drei-Länder-Rhön zum Biosphärenreservat geadelt. Um diesen Titel, der immer nur auf Zeit verliehen wird, behalten zu können, müssen mehr Schutzzonen ausgewiesen werden. So fordert es die Unesco. Die letzte Evaluierung war 2013 vorgenommen worden.

Für die Überarbeitung der Zonen hat die Unesco den Regierungen in Bayern, Hessen und Thüringen zehn Jahre Zeit gegeben. Nach jahrelanger Vorbereitung ist der neue Entwurf nun veröffentlicht worden.

Laut Ulrike Schade, Leiterin des Biosphärenreservats, wurde die Bevölkerung in diesen Prozess einbezogen: "In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Gespräche mit den Akteuren vor Ort geführt". In der derzeitigen Auslegungsphase können alle Betroffenen - die Kommunen, private Grundstückseigentümer und weitere Träger öffentlicher Belange, wie zum Beispiel Naturschutzverbände, Einwände gegen das Papier formulieren.

Rhön an Unesco-Fördermittel gebunden

Konkret beinhaltet der neue Entwurf der Verordnung eine neue Nutzungsbestimmung der Flächen, die Gesamtfläche wächst dadurch nicht. Ziel ist es, den Anteil sogenannter Kernzonen von 1,53 auf mindestens drei Prozent und die Fläche der Pflegezonen von 9,6 auf mindestens 17 Prozent zu erhöhen.


Was sind Kern- und Pflegezonen?

In einer Kernzone soll sich die Natur ohne den Einfluss des Menschen entwickeln können. Sie dient der Sicherung der in ihr beheimateten Lebensräume und Landschaften und der dort erhaltenen biologischen Vielfalt. Das Betreten ist in der Regel nur für Forschung und Umweltbeobachtung gestattet.

Ausgewählte Bereiche können aber für das ruhige Naturerleben und die Umweltbildung zugänglich gemacht werden. Die verschiedenen Kernzonen in einem Schutzgebiet müssen zusammen mindestens drei Prozent der Gesamtfläche ausmachen.

Pflegezonen müssen laut Unesco Kernzonen umgeben, um diese abzuschirmen und somit zu schützen. In ihnen stehen pflegliche und besonders naturbetonte Bewirtschaftungen der Wälder und Wiesen im Mittelpunkt. Gleichzeitig sollen sie die Lebensräume für zahlreiche bedrohte Tier- und Pflanzenarten erhalten und sichern. In den Pflegezonen sind schonende Freizeitaktivitäten wie etwa Wandern, Rad fahren oder Skilanglauf möglich.


Kommt das Land Thüringen dem nicht nach, würde die Rhön den Status als Unesco-Biosphärenreservat verlieren. An den Unesco-Titel sind für die Rhön Fördermittel gebunden. Laut Ulrike Schade vom Biosphärenreservat sind seit 2021 rund 670.000 Euro in die Thüringer Rhön geflossen.

Bei der Bewilligung von Fördermitteln habe der Unesco-Titel eine große Rolle gespielt. "Der Titel ist ein wertvolles Alleinstellungsmerkmal für die Region, die ein Vorbild dafür ist, wie nachhaltige Entwicklung funktionieren kann", so Schade.

Landwirte und Waldbesitzer fürchten zusätzliche Auflagen

Ein Argument, das viele der Landwirte und privaten Waldbesitzer, die unter den rund 100 Teilnehmern zu der Informationsveranstaltung gekommen sind, nicht überzeugt. Sie fürchten durch die Ausweitung der Schutzzonen zusätzliche Auflagen, das heißt neue Regeln und Pflichten für sie als Grundstückseigentümer, die die Bewirtschaftung ihrer Flächen erschweren könnten. Dabei geht es zum Beispiel um den Einsatz von Chemikalien oder den Bau neuer Wege.

Auch Bürgermeister Erik Thürmer sieht den neuen Entwurf der Verordnung kritisch. Seinen Angaben sind von den geplanten neuen Schutzzonen auch kommunale und private Flächen betroffen - zahlreiche Grundstücke sollen zu Pflegezonen, einige auch zu den noch strenger geschützten Kernzonen umdefiniert werden. Allein für das Gebiet der VG Hohe Rhön kann Thürmer dafür mehrere Beispiele geben. Er hat Sorge, das die Entwicklung der Region dadurch gehemmt werden könnte.

Nach Angaben des Thüringer Umweltministeriums sind die konkreten Folgen für die Eigentümer aber gering. Es sei berücksichtigt worden, dass Flächen, die künftig Pflegezonen werden sollen, schon jetzt naturnah genutzt werden.

Auch gebe es einen Bestandsschutz, das heißt, bestehende Nutzungsformen werden nicht angefochten. Die Biosphärenreservatsleiterin Schade verwies außerdem darauf, dass die Verbote in dem neuen Entwurf gemeinsam mit den Ausnahmen gelesen werden müssten.

Großer Aufwand für Ausnahmen

Bürgermeister Thürmer sagte dazu, seiner Erfahrung nach sei es mit großem Aufwand verbunden, solche Ausnahmen geltend zu machen. Auch sei ein Bestandsschutz nicht immer sinnvoll und unflexibel. Als Beispiel nannte er Schneeloipen. So sei es denkbar, dass Loipen in Zukunft aufgrund anderer Schneelagen versetzt werden müssten.

Auch sehe er den Waldumbau in Gefahr. Der Bestandsschutz schreibe etwa vor, nur heimische Baumarten nachzupflanzen. Die veränderten klimatischen Bedingungen würden es jedoch erforderlich machen, nach neuen Arten zu suchen, die hitzeresistenter sind.

Auch Vorschriften zum Umgang mit Totholz sieht Thürmer nach eigenen Angaben kritisch. In streng geschützten Zonen darf Totholz nicht abtransportiert werden. Das wiederum steigere in trockenen Sommern die Waldbrandgefahr, so der Bürgermeister.

Verbot von Windkraftanlagen aufgehoben

Ein weiterer Knackpunkt ist für Thürmer das Thema Windräder. Das bisherige Verbot, Windkraftanlagen in der Rhön zu bauen, steht in der geänderten Verordnung nicht mehr drin. Windräder würden dem originären Ziel des Biosphärenreservats, Flora und Fauna zu schützen, widersprechen, so Thürmer.

So gilt die Rhön zum Beispiel als Schutzgebiet für Rotmilane, die dort ihren Hauptbrutort in Deutschland haben. Dank eines länderübergreifenden Hilfsprojekts hat sich die bedrohte Greifvogelart in den vergangenen Jahren in der Region gut entwickelt. Auch für den Sternenpark in der Rhön seien die blinkenden Lichter von Windkraftanlagen nicht produktiv.

Überarbeitung bis 4. November

Die Auslegungsfrist der überarbeiteten Verordnung endet am 4. November. Bis dahin können alle Betroffenen ihre Meinung zu dem neuen Entwurf äußern. Die Stellungnahmen müssen begründet und schriftlich eingereicht werden. Biosphärenreservatsleiterin Schade hat den Grundstückseigentümern Hilfe angeboten.

Jeder könne einen individuellen Beratungstermin ausmachen, um den eigenen Fall zu prüfen. Ihrer Erfahrung nach, haben sich viele Ängste schon zerstreut, nachdem man sich gemeinsam die tatsächlichen Folgen konkret und im Detail angeschaut hatte.

Warum unsere Wälder wirklich brennen

Toller Tipp von Rainer: Prof. Irslinger hat einen Artikel über Waldbrände, Totholz, CO2-Bilanz und Waldbewirtschaftung geschrieben, der voll ins Schwarze trifft:

https://www.das-marburger.de/2022/08/warum-unsere-waelder-wirklich-brennen/

oder gleich hier als PDF.

Nur zwei Seiten, und sehr gute Hintergrundinformation!

Kletterzugänge Frühlingswand/Vorderes Pechofenhorn

Ein Stiegenfreund berichtete:

Quelle

Experte: Europa braucht gemeinsame Waldbrand-Strategie

Europa wurde in diesem Jahr von zahlreichen Waldbränden heimgesucht. Anders als früher sind nun auch Gebirgsregionen wie die Sächsische Schweiz betroffen. Mit Blick auf Klimaprognosen ist entschlossenes Handeln dringend nötig.

Dresden. Europa muss sich nach Einschätzung von Experten künftig auf eine Zunahme von Waldbränden vorbereiten und die Vorsorge und Bekämpfung verbessern. "Die Entwicklung zwingt dazu, Dinge nicht im Kleinen zu regeln, sondern mit nationalen Strategien und einem europäischen Brandmanagement zu reagieren", sagte der Forscher Matthias Forkel von der Technischen Universität. Unter seiner Leitung hatten in den vergangenen Tagen 70 Fachleute aus mehreren Ländern über eine ganzheitliche Strategie für das Brandmanagement beraten. Die Teilnehmer kamen unter anderem aus Griechenland, Portugal, Spanien und Österreich.

Forkel zufolge gibt es bereits Ansätze für ein gemeinsames Agieren, beispielsweise über den sogenannten European Civil Protection Mechanism. Er regelt gegenseitige Hilfe auch bei verheerenden Waldbränden.

Allerdings sei die Brandbekämpfung in Europa sehr verschieden geregelt, in Deutschland sind etwa zunächst die Kommunen mit ihren Feuerwehren zuständig. Erst wenn der Katastrophenfall eintrete, komme der Landkreis, das Land oder später der Bund zum Zuge. Dann bestehe die Möglichkeit, Hilfe aus anderen EU-Ländern anzufordern. "Tschechien hat das bei dem Waldbrand in der Böhmischen Schweiz im Sommer gemacht und bekam Hilfe aus Schweden und Italien."

Kein ausreichendes Monitoring in Sächsischer Schweiz

Auch ein Monitoring-System zur Abschätzung von Waldbrandgefahren existiert bereits, sagte Forkel. Das European Forest Fire Information System gebe Informationen zur Waldbrandgefahr. "Es ist aber nicht sehr genau." Es gehe darum, die Gefahr von Waldbränden kleinräumig zu erkennen.

Anders als früher seien bei den Bränden dieses Jahres auch Gebirgsregionen betroffen gewesen, darunter die Alpen, der Harz und die Sächsische Schweiz. "In solchen Gebieten gibt es bislang kein ausreichendes Monitoring. Da sind wir tatsächlich unvorbereitet."

Forkel ist überzeugt, dass Nord- und Mitteleuropa von Erfahrungen der Mittelmeerländer lernen können - vor allem in praktischen Dingen. Da gehe es weniger um das Anpflanzen von robusteren Baumarten, weil die Ökosysteme zu unterschiedlich sind.

Portugal europaweit Vorbild bei Waldbrandbekämpfung

Entscheidend sei, wie man Brandbekämpfung auf einem höheren Level koordinieren kann. "Portugal ist aus leidvoller Erfahrung heraus ein Vorbild geworden. 2017 starben dort bei Waldbränden mehr als 60 Menschen. Das hat viel im Umgang mit den Bränden geändert", betonte der Forscher. Selbst die Ausbildung von Feuerwehrleuten für die Waldbrandbekämpfung werde dort national organisiert.

"Vom Mittelmeerraum kann man zudem das Konzept des Wildland Urban Interface lernen - die Schnittstelle zwischen Wildnis und Wohnbebauung. Das ist auch ein großes Themen in Australien und den USA", erklärte Forkel. Heute seien Siedlungen oft stark mit dem Wald verwachsen, Gärten und Häuser grenzten häufig direkt an die Natur. Wenn dann ein Waldbrand entstehe, könne er schnell auf Wohngebäude übergreifen. "In Portugal entwickelt man Konzepte, wie das verhindert werden kann - beispielsweise indem der Garten als natürliche Brandschneise dient oder Sprinkleranlagen die Gefahr minimieren." Weiterführende Artikel

"Es gibt in Portugal auch Modellstudien, in gefährdeten Dörfern Schutzräume mit Küchen und der Möglichkeit zu medizinischer Versorgung zu etablieren. Im Falle eines Waldbrandes können sich die Bewohner dorthin zurückziehen, weil dieser Raum etwa durch einen Wassergraben geschützt ist." Inzwischen ließen sich in Mittel- und Nordeuropa Parallelen zum Mittelmeerraum ziehen. "Wir müssen uns darauf einstellen. Besser wird es in Zukunft nicht." Technik könne zwar helfen, Waldbrände früher zu erkennen: "Viel wichtiger ist aber, sie gar nicht erst entstehen zu lassen." (dpa)